Kirchenrecht. 467
zum Breviergebet, ähnliche. Insbesondere haben die Geistlichen Residenz zu halten. Uber
den Stand ihrer Gemeinden haben sie schriftliche Berichte einzureichen; visitiert werden sie mit
denselben von den Superintendenten, bisweilen unter Mitwirkung synodaler Organe. Staats-
beamte sind sie nur, wo das evangelische Staatskirchentum noch fortbesteht; wo die Kirche ver-
selbständigt ist, erscheinen sie lediglich als öffentliche Beamte.
Literatur zu § 48, 5; Schoen, Pr. Kr. II K 58—60, 71.
8 114. Die Gemeinde und ihre Vertretung.
Die Gemeinde, nach altlutherischer, an die katholische sich anschließender Auffassung mehr
nur das Objekt der pfarramtlichen Tätigkeit und nach der privatrechtlichen Seite hin universitas
bonorum, nach reformierter dagegen von Anfang an „aktives Subjekt zur Herstellung des Gottes-
reiches auf Erden“ und universitas personarum, ist heute derjenige evangelisch-kirchliche Verband,
in dem unter Leitung eines Pfarrers oder mehrerer der kirchliche Daseinszweck, insbesondere
die christliche Gottesverehrung, in örtlicher oder ausnahmsweise in persönlicher Beschränkung
(Personal-, z. B. Militärgemeinden) zur Erfüllung gebracht wird. Die Gemeinde bringt die
Kirche in einfachster Form zur Erscheinung; aus zusammenhängenden oder isolierten (Diaspora-)
Gemeinden baut sich die Gesamtlandeskirche auf; nur durch die Gemeinde, als Gemeindemitglied,
nimmt auch der Einzelne an der Gesamtkirche teil. Die Gemeinde ist der Gesamtkirche ein= und
untergeordnet. Anderseits kommt ihr gegenwärtig regelmäßig für ihren Bereich das Recht
der Selbstverwaltung zu. Damit hat auch die alleinige Leitung durch den Pfarrer wenigstens
im äußeren Dienst aufgehört. Vielmehr besitzt die Kirchgemeinde für die Verwaltung der Ge-
meindeangelegenheiten regelmäßig zwei Selbstverwaltungsorgane.
1. Der Gemeindekirchenrat (Kirchenvorstand, Presbyterium), dessen ge-
borenes Mitglied und reßelmähiger Vorsitzender der Pfarrer ist (mehrere wechseln im Vorsitz,
oder dieser gebührt dem Altesten an Alter bzw. im Dienst), und zu welchem außerdem eine An-
zahl von auf Zeit (3, 4, 6 Jahre) gewählten Gemeindegliederm, Altesten, Kirchenvorsteherm
(darinter der Kirchenrechner oder Rendant) gehört. In Preußens östlichen Provinzen steht
die Wahl des Gemeindekirchenrates der Gemeinde zu. Für die aktive Wählbarkeit (Wahlrecht)
wird gefordert männliches Geschlecht, Volljährigkeit oder ein höheres Alter (24, 25 Jahre),
Selbständigkeit, Gemeindewohnsitz von bestimmter Dauer (Preußen östliche Provinzen 1 Jahr,
Rheinland und Westfalen 3 Monate), Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, Erfüllung der kirch-
lichen Abgabenpflicht, ehrbarer Lebenswandel ohne Verachtung von Gottes Wort und
ungesühntes Argemis, oft auch Eintragung (einmalige oder jeweilen emenerte) in die Ge-
meindeliste. Die passive Wählbarkeit oder Wählbarkeit im engeren Sinne setzt voraus ent-
weder dasselbe oder ein erhöhtes Alter (Altpreußen 30) und besondere kirchliche Befähigung,
entweder positiv als ehrbarer, frommer und angesehener Mann, oder negativ als ein solcher,
der sich nicht beharrlich vom Gottesdienst und Sakramentsempfang femngehalten hat. Aufgabe
des Gemeindekirchenrats ist die Pflege des religiösen und kirchlichen Lebens in der Gemeinde,
die Teilnahme an der Handhabung der Kirchenzucht, die Mitwirkung bei Gemeindekirchenfeiem,
die Sorge für den Unterricht der Jugend und die Pflege der Gemeindekranken und a#rmen.
Er wirkt fermner mit bei der Bestellung der Geistlichen, stellt die niederen Kirchendiener an, hand-
habt die Disziplin über sie und beteiligt sich bisweilen bei den Visitationen; auch stehen ihm die
Verwaltung des kirchlichen Vermögens und die Verfügung über die Kirchengebäude zu, besonders
zu anderen als gottesdienstlichen Zwecken (z. B. Konzerten), oft auch das Wahlrecht zu höheren,
synodalen Vertretungen. Er vertritt die Gemeinde gegenüber dem Kirchenregiment, den Synoden
und gegenüber Dritten.
2. Die Gemeindevertretung. Meist steht jetzt neben dem Gemeindekirchen-
rat noch ein weiteres Gemeindeorgan, die Gemeindevertretung oder crepräsentation. Das
aktive und passive Wahlrecht ist gewöhnlich ebenso abgegrenzt wie für jenen, und die Amtsdauer
der Mitglieder dieselbe. In kleineren Gemeinden und da, wo die Verfassung eine Gemeinde-
vertretung nicht vorsieht, tritt bisweilen statt eines solchen Gemeindeausschusses die Versamm-
lung aller stimmberechtigten Gemeindemitglieder ein. Regel ist, daß die Gemeindevertretung
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