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der Kultusminister in zweiter Instanz, eventuell unter Zuziehung des Provinzialsynodal-
ausschusses bzw. des Generalsynodalvorstandes, doch so, daß in Preußen (alte Provinzen) nicht
mehr wegen Frrlehre disziplinär eingeschritten wird, sondern nur noch, wenn das Betenntnis oder
die Ordnungen der Kirche herabgewürdigt sind, und daß bei Zusammentreffen von Disziplinar-
und Irrlehreverfahren letzteres ausgesetzt und im Falle der Dienstentlassung im Disziplinar-
wege nicht durchgeführt wird. Anderswo sind dafür eigene gemischte Gerichtsbehörden ge-
bildet (Oldenburg, Braunschweig), oder es verhängt der Landesherr selbst die Strafe auf Antrag
der Kirchenbehörde (Bayern, Württemberg). Die Strafen sind: Warnung, Verweis, Geldstrafe,
Enthebung vom Amt und Gehalt oder bloß von diesem auf Zeit, Strafversetzung, zwangsweise
Zurruhesetzung mit geringerem Ruhegehalt, Amtsentsetzung oder Dienstentsetzung mit Verlust
der Standesrechte. Die Kirchenregimentsbeamten werden von den staatlichen Disziplinar-
behörden für nichtrichterliche Beamte, die niederen Kirchenbehörden teils durch die Kirchen-
regimentskollegien, teils durch die Gemeindeorgane diszipliniert. Der Kreissynodalvorstand
ist Disziplinarbehörde für die Gemeindekirchenvertreter 1.
Friedberg, BR. # Schoen, Pr. Kr. II1 §3 72;
Meurer, Der Begriff des kirch-
lichen Strafvergehens nach
en Rechtsquellen des Augsburgischen Bekenninisses, 1883.
Sechstes Kapitel.
Das Amterrecht.
8 121. Die Arten der kirchlichen Amter.
Die kirchlichen Amter sind entweder kirchenregimentliche, und zwar, abgesehen von der
Superintendentur und Generalsuperintendentur, bei der das Regimentsamt mit dem geistlichen
in einer Person sich vereinigt, und von der kirchenregimentlichen Stellung, die bisweilen noch
der staatliche Kultusminister hat, Kollegialämter wie die Räte- und Bessitzerstellen in den
Konsistorien und Oberkirchenräten. Daneben stehen die Presbyterial- und Synodalämter und
vor allem das geistliche Amt, insbesondere das Pfarramt. Wie nach kanonischem Recht, so sind
auch nach evangelischem absolute Ordinationen für die Regel unzulässig; gewöhnlich fällt die
Ordination mit dem ersten Amtsantutt zusammen und wird, z. B. nach rheinisch-westfälischem
Recht, in der Gemeinde des Ordinanden vollzogen. Doch wird für Missionare und zum Hilfs-
dienst in der Landeskirche Ausersehene eine Ausnahme gemacht.
Schoen, Pr. Kr. II ## 41, 58, 66.
8 122. Die Errichtung, Veränderung und Aufhebung der Kirchenämter.
An sich ist zur Errichtung und Aufhebung kirchenregimentlicher Amter der Landesherr
befugt, doch kann von etatrechtlichen Gesichtspunkten aus eine Mitwirkung der Synoden erforder-
lich sein. Letzteres tritt auch dann ein, wenn es sich um kirchenregimentliche Behörden handelt,
die kirchengesetzlich festgelegt sind 2. Bei geistlichen Amtemm, für welche kein Reservatrecht des
Landesherru besteht (wie in Bayern, Baden, Hessen) ist die oberste Kirchenbehörde zuständig 7.
Die Gemeinden oder ihre Vertretungen, mancherorts auch die Kreissynoden, sind zu hören;
in Baden, Hessen, Oldenburg bedarf es eines Kirchengesetzes.
Schoen, Pr. Kr. II §5 74; Koch, Trennung und Bermögensauseinandersetzung dauernd
vereinigter Kirchen= und Schulämter in Preußen, 1910.
§ 123. Die Verleihung der Kirchenämter.
Kirchenregimentliche Amter verleiht der Landesherr kraft Resewatrechts, und zwar in
Atpreußen auf gemeinsamen Vorschlag des Oberkirchenrats und des Ministers der geistlichen
1 Die oben S. 407 angeführten staatskirchenrechtlichen Schranken bektehen natürlich auch hier.
Uber die Wirkung stoatsgeseplicher Festlegung siehe oben S. 460, 463.
Die staatliche Mitwirkung ist dieselbe wie für katholische Amter.