Kirchenrecht. 475
Angelegenheiten; ebenso ist z. B. in Baden der Generalsynodalausschuß zur Vorbereitung der
Besetzung von Oberkirchenratsstellen mit dieser Behörde berufen. Der Landesherr ernennt
aber auch (in Altpreußen unter Zuziehung des Kultusministers auf Vorschlag des verstärkten
— 8 115 — Oberkirchenrats, in Wiesbaden des ebensolchen Konsistoriums) die Generalsuper-
intendenten und ernennt oder bestätigt (im Falle der Wahl durch die Kreis= oder Diözesansynode)
die einfachen Superintendenten.
Für das geistliche Amt wird außer Taufe und männlichem Geschlecht gefordert: 1. körper-
liche Gesundheit und Rüstigkeit, 2, ein gewisses Alter (25, 24, 21 Jahre), 3. makelloser Ruf und
volle bürgerliche Ehre, 4. Bekenntnis zum Kirchenglauben (in unierten Kirchen zur lutherischen
oder reformierten Konfession). Eine Verpflichtung auf Schrift und Bekenntnis wird in irgend-
welcher Form überall gefordert, freilich weder im Sinne einer Zustimmung zur Wortinspiration,
noch im Sinne einer juristischen Verpflichtung. In Preußen vollzieht sie sich durch die Zustim-
mung des Ordinanden zu der das Glaubensbekenntnis mitenthaltenden Ordinationshandlung,
in Baden richtet sich darauf eine besondere Ordinationsfrage, anderswo wird noch schriftliche
oder eidliche Verpflichtung verlangt, 5. wissenschaftliche Vorbildung. Zu deren Feststellung
dienen gewöhnlich zwei, beim Konsistorium unter Teilnahme von Synodalabgeordneten vor-
genommene Prüfungen, die wissenschaftliche, examen pro candidatura sive pro licentia con-
cionandi, welche die Predigtbefugnis gibt, und die wissenschaftlich-praktische, exramen pro mini-
sterio sive pro munere, durch welche die Befähigung zur Bekleidung des geistlichen Amtes er-
worben wird 1u. Die Aufsicht über die Kandidaten steht dem Konsistorium zu und wird im
Einzelnen ausgeübt durch den Superintendenten ihres Wohnsitzes.
Für die Besetzung der Amter gilt zunächst als Grundsatz, daß die Gemeinden mindestens
das Recht haben, gegen Lehre, Leben und geistige Gaben eines ihnen zugedachten Pfarrers
Einspruch zu erheben #. Zu diesem Zwecke besteht mancherorts die Einrichtung der Probe-
predigt, die anderwärts umgekehrt untersagt ist. Besetzungsberechtigt ist regelmäßig der Landes-
herr als Inhaber des Kirchenregiments, und zwar entweder in Person auf Vorschlag einer Be-
hörde oder durch die Regimentsbehörde (in Preußen die Konsistorien). Das landesherrliche
Besetzungsrecht ist beschränkt: 1. dadurch, daß gewisse Stellen, die eine Lokation als bessere auf-
weist, nur an Geistliche von einer bestimmten Anzahl von Dienstjahren vergeben werden dürfen
(Preußen, Bayem, Baden), 2. durch die Mitwirkung synodaler Organe; so hat in Baden der
durch den Generalsynodalausschuß verstärkte Oberkirchenrat mitzuwirken; 3. endlich durch das
Patronatrecht.
Friedberg, BfMl. K 19—21; Schoen, Pr. Kr. II #54—56.
8 124. Das Patronatrecht.
Originelle evangelisch-rechtliche Bestimmungen über den Kirchenpatronat brachte ein
sächsisches Kirchengesetz vom 28. April 1898 82. Danach sind unfähig zur Ausübung des Patronat-
rechtes Personen, die vom Landeskonsistorium wegen Simonie“" des Rechtes verlustig erklärt
wurden, oder deren Recht wegen Verdachts der Simonie einstweilen suspendiert ist, welche sich
wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das nach den Strafgesetzen die Entziehung der bürger-
1 Die staatlichen Erfordernisse sind dieselben wie für die katholischen Kirchendiener (oben
S. 449 A. 1). In Preußen fällt das staatliche Einspruchsrecht regelmäßig fort, weil die Mitglieder
der Kirchenregimentsbehörde sämtlich vom König ernannt werden.
: Einsprüche gegen die Lehre werden (ev. zusammen mit solchen gegen Gaben und Wandel)
in Altpreußen von dem Spruchkollegium auf dem Wege des Irrlehreverfahrens erledigt (& 118).
* Daß man auch ohne neue positive Bestimmungen auf Grund des kanonischen Patronat-
rechtes zu Ergebnissen kommen kann, die dem kirchlichen Rechtsgefühl der Gegenwart entsprechen,
lehrt die Entscheidung des Reichsgerichts, 3. Zivilsenat vom 20. Oktober 1905 betr. Berlust des
Hin lichen Patronats zu Lönstadt für die Person des zeitigen Inhabers wegen Unwürdigkeit,
. . Kr. XVI, 1906.
Eine in Neuvorpommern und Rügen einst im Schwang gewesene eigentümliche Art evan-
gelischer Simonie behandelt Woltersdorf, Die Konservierung der Pfarr-Witwen und -Töchter
ei den Pfarrern und die durch Heirat bedingte Berufung, D. Z. f. Kr. XI, 1901, XIII, 1903.