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lichen Ehrenrechte zur Folge haben kann oder muß, in Untersuchung befinden, oder welche zu
Zuchthaus oder neben einer Gefängnisstrafe zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ver-
urteilt sind (auf die Dauer dieses Verlustes), welche kraft eigener Erklärung (also nicht kraft Er-
klärung der Eltern!) vom evangelisch-lutherischen oder vom reformierten Bekenntnis zur römisch-
katholischen Kirche oder vom lutherischen zum reformierten Bekenntnis übergetreten sind, femer
alle, welchen das Landeskonsistorium die Ausübung des Patronats entzogen hat, weil sie durch
ihr Verhalten ein mit der Würde des Patronats nicht zu vereinbarendes öffentliches Argemis
gegeben haben, endlich Gemeinschuldner während des Konkurses. Der dingliche Patronat
aber ruht für Grundstücke, die einer Zwangsverwaltung unterliegen oder sich im Besitz einer
juristischen Person oder Gesellschaft befinden, welche vorwiegend Erwerbs-- oder wirtschaft-
liche Zwecke verfolgt. Mit der Ausübung Beauftragte müssen der Landeskirche angehören und
dieselben Erfordernisse erfüllen. Im übrigen ist von allen evangelischen Rechten der Unterschied
von geistlichem und weltlichem Patronat aufgegeben, oder er ist praktisch bedeutungslos. Die
Präsentationsfrist beträgt 6, 4 oder 2 Monate. Ein Nachpräsentations- oder Variationsrecht
besteht nicht; der Präsentierte erhält durch die Vokation (so, weil im älteren Recht die Prä-
sentation sich oft wieder zu einer Emennung gesteigert hatte) des Patrons ein ius ad rem, das
durch kirchenregimentliche Bestätigung zum ius in re wird. Der Inhalt des Patronats, besonders
die cura beneficii, ist oft erweitert; der Patron sitzt selbst im Gemeindekirchenrat oder kann einen
Altesten ernennen; auch wirkt er bei der Kirchengutsverwaltung mit, und hat er (Preußen, öst-
liche Provinzen), wenn lastenpflichtig, die Zustimmung zur Prozeßführung zu geben. Dafür
hat er aber oft über das kanonische Recht hinaus, das im übrigen gerade für das Patronatrecht
praktisch ist, erhebliche Lasten zu tragen.
Friedberg, BR. i 22, 33; Schoen, Pr. Kr. 1 # 29, II ## 49—52; Niedner,
Die Entwicklung des Patronats der reikölmischen Hofbesitzer im Marienburger Werder, D. Z.
f. Kr. VIII, 1898; Freytag, Das Kirchenpatronatsrecht der Kölmer in den Marienburger
Werdern, D. Z. f. Kr. XII, 1902; Vonnoh, Die Prinzipien des sächsischen Patronatgesetzes
vom 28. April 1898 in ihrer Entwicklung und in ihrem Verhältnis zum geltenden Recht, Leipziger
jur. Diss., 1905; Albert, Das Kirchenpatronatsrecht in der evang.-lutherischen Landeskirche des
Königreichs Sachsen, 1908; Hansult, Das Patronat in der evangelischen Landeskirche in Hessen,
Gieß. jur. Diss., 1898, und dazu ders. in D. Z. f. Kr. X, 1901, XII, 1902; Gönner und
Sester, Badisches Patronatrecht (5S 98); Hellmar, Das Patronat nach Landes- und
Provinzialrecht, 1850; Dömming, Die Rechtsstellung des Kirchenpatrons im Geltungs-
ebiete des A. L. Rs., 1901; Frantz, Die Patronatsbefugnisse in bezug auf den Gemeinbe-
irchenrat, 1883; Dove, Ist ein der griechischen Kirche angehöriger Besitzer eines patronat-
berechtigten Gutes zur Auslibung des Patronatrechts auf eine evangelische Pfarrstelle befähigt?,
# f. Kr. II, 1862; Stockmann, Patronat bei “ (auch im Ev. Kirchenbl. für
chlesien), 1904; v. Bonin, Die Kollatur bei schlesischen Bethausgemeinden, D. Z. f. Kr.
XXII, 1912. Bgl. auch Lit. zu § 113.
8§ 125. Das Gemeindewahlrecht.
Über das erwähnte Ablehnungsrecht oder Einwendungsrecht (votum negativum, in
Hannover Vokation genannt) hinaus steht mitunter den Gemeinden ein positives Wahlrecht
zu, ein beschränktes, wenn ihnen die Kirchenregimentsbehörde eine bestimmte Anzahl von Kandi-
daten vorzuschlagen und sie daraus einen auszuwählen haben (Baden 6), oder ein freies. Wo
einer Gemeinde das Wahlrecht nicht von alters her (als historisches) in jedem Besetzungsfalle
zukommt, ist der Übergang von der früheren, ausschließlich kirchenregimentlichen Besetzung
zur Gemeindewahl meist dadurch gemildert, daß ein Wechsel stattfindet. Das eine Mal besetzt
die Kirchenbehörde, das andere Mal wählt die Gemeinde (in Hannover aus einem Dreier-
vorschlag des Kirchenvorstandes, in Schleswig-Holstein aus drei vom Konsistorium Präsentierten)
oder die vereinigten Gemeindeorgane, so in Altpreußen, wo aber das Kirchenregiment außer
in dem nach S. 475 A. 2 zu behandelnden Falle einer nach vorläufiger Prüfung nicht un-
begründet erscheinenden Beanstandung der Lehre die auch anderwärts erforderliche Bestätigung
aus jedem vemünftigen und zu motivierenden Grunde versagen darf 1; auch ist in Altpreußen
1 Beanstandungen wegen Mangels an Übereinstimmung mit dem Bekenntnisse der Kirche
sind in Preußen (alte Provinzen) vom Konsistorium durch den Oberkirchenrat an das Spruch-
kollegium zur Erledigung im Irrlehreverfahren (5 118) zu bringen.