Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

498 Paul Heilborn. 
8§ 5. 5. Quellen des Völkerrechts. 
Literatur. Bergbohm: Staatsverträge und Gesetze als Quellen des Bölkerrechts, 
Dorpat 1877; Jellinek: System der subjektiven öffentlichen Rechte (2), Freiburg i. B. 1905, 
S. 203 ff., 312 ff.; Nippold: Der völkerrechtliche Vertrag, Bern 1894, S. 18/64; Wilhelm Kauf- 
mann a. a. O. und: Weltzuckerindustrie und internationales und koloniales Recht, Berlin 1904, 
Erich Kaufsmann: Das Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sic stantibus, Tübingen 
1911; Triepel 27/103; Schuppe: Das Gewohnheitsrecht, Breslau 1890; Brie: Die Lehre vom 
Gewohnheitsrecht, Breslau 1899; Sturm: Revision der gemeinrechtlichen Lehre vom Gewohnheits- 
recht, Leipzig 1900, und: die psychologischen Grundlagen des Rechts, Hannover 1910; Anzilotti, 
Rivista 1 40/7; Caovaglieri: La consuetudine giuridica internazionale, Padua 1907; Diena: Con- 
siderazioni critiche su alcune teorie del diritto internazionale, Turin 1908, S. 5/25; Huber, 
Jahrbuch des öffentlichen Rechts 4 56 und: Gemeinschafts= und Sonderrecht unter Staaten, 
Gierke-Festschrift, Weimar 1911, S. 817/50; Stammler: Theorie der Rechtswissenschaft, Halle 
a. S. 1911; Grosch, Grünhuts Z. 38 583/94; v. Bar, Arch R Philos. 6 145; Stahl: Rechtsphilosophie 
(5), 2 1; Windscheid: Pandektenrecht (8), 1 88 15 ff.; Dernburg: Pandekten (6), 1 #B 26 ff.; Gierke: 
Deutsches Privatrecht Bd. I. 
I. Die Arten der Rechtsquellen. Die Entstehung eines Rechtssatzes ist an 
die Entstehung einer Rechtsüberzeugung und an die Erklärung des Rechtssatzes als Recht ge- 
bunden (vgl. Gierke 126). Ein Staat allein kann Völkerrecht nicht schaffen; er hat über andere 
keine gesetzgebende Gewalt; aus seiner einseitigen Erklärung erlangen andere auch keinen An- 
spruch gegen ihn, wird er nicht verpflichtet, es bestehe denn schon eine entsprechende Norm. 
Nur durch gemeinschaftliche Erklärung der Staaten wird Völkerrecht heworgebracht. Die ge- 
meinschaftliche Erklärung kann mit Worten erfolgen: gesetztes Recht, Vereinbarung, oder durch 
Handlungen im Wege der Ubung: ungesetztes oder Gewohnheitsrecht. Als Völkerrechtsquellen 
sind diese beiden Formen seiner Erscheinung zu besprechen. 
1. Die Vereinbarung tritt in der Form eines Staatsvertrags in die Erscheinung. Ein 
solcher Vertrag kann Rechtsquelle wie Rechtsgeschäft sein. Immer beruht er auf zweierlei 
Normen des Gewohnheitsrechts: a) auf den Normen über den Abschluß von Staatsverträgen 
(ogl. §§ 13, 15), b) auf dem Satz pacta sunt servanda: rechtsgültig abgeschlossene Verträge 
sind für die Kontrahenten verbindlich. Diese Normen gelten für beide Arten von Verträgen 
gemeinschaftlich. In größeren Vertragsinstrumenten finden sich rechtsgeschäftliche und recht- 
setzende Bestimmungen nicht selten vereinigt, so in der Wiener Kongreßakte. Der Vertrag ist 
Rechtsgeschäft, wenn er auf die Begründung, Erhaltung, Abänderung oder Aufhebung sub- 
jektiver Rechte gerichtet ist. Er ist Rechtsquelle, wenn mehrere Staaten eine Rechtsregel sormu- 
lieren und sich zu deren Befolgung wechselseitig verpflichten. Vgl. jedoch Jellinek und Triepel 
a. a. O., anderseits Erich Kaufmann 160/71. 
2. Der Begriff des Gewohnheitsrechts ist im Völkerrecht der nämliche wie in anderen 
Rechtsgebieten. Es ist das von einer Gemeinschaft tatsächlich und dauernd aus UÜberzeugung 
seiner Notwendigkeit als Recht geübte Recht. Als übende Personen kommen nur Staaten 
in Betracht, als Ubung lediglich im Staatenverkehr vorgenommene Handlungen, nicht die- 
jenigen, welche sich ausschließlich auf die inneren Verhältnisse des einzelnen Staats beziehen. 
II. Die Kraft der Rechtsquellen. 1. Verhältnis zwischen Gewohnheitsrecht 
und Vereinbarung. Das Völkerrecht hat sich anfänglich nur im Wege der Gewohnheit ent- 
wickelt; es ist auch jetzt zu erheblichem Teil Gewohnheitsrecht. Die Wirksamkeit beider Rechts- 
quellen ist die gleiche: ein Satz des Gewohnheitsrechts kann durch Vereinbarung aufgehoben 
werden und umgekehrt: das Gewohnheitsrecht hat derogatorische Kraft auch gegenüber der 
Vereinbarung. Jeder Rechtssatz kann sowohl durch Bildung eines entgegenstehenden neuen 
Satzes wie durch einfache desuetudo außer Kraft gesetzt werden. 
2. Das Geltungsgebiet der Rechtsquellen. Jeder Rechtssatz ist zunächst nur maßgebend 
für diejenigen Staaten, welche ihn im Wege der Gewohnheit oder Vereinbarung geschaffen 
haben. Die völkerrechtlichen Normen bilden sich meist in kleinerem Kreise aus. Ihr Geltungs- 
gebiet erweitert sich wiederum durch Gewohnheit oder ausdrückliche Ubereinkunft. In den 
rechtsetzenden Vereinbarungen der neueren Zeit wird oft der Beitritt (Akzession) anderer Staaten 
für zulässig erklärt, oder es wird eine Aufforderung zum Beitritt an sie gerichtet. Alsdann genügt 
die einseitige Beitrittserklärung, während sie in anderen Fällen noch angenommen werden
	        
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