Völlerrecht. 501
lichen Einschränkungen der inneren Unabhängigkeit. Die Bestimmungen in Art. 29 Abs. ö ff.
und in Art. 44 des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878 (RGBl. 307) konnten nur in Kraft
treten, nachdem sie von Montenegro bzw. Rumänien angenommen waren: Montenegro durfte
bis 1909 weder Kriegsschiffe besitzen noch eine Kriegsflagge führen; in Rumänien soll niemand
wegen seines religiösen Glaubens oder Bekenntnisses von dem Genuß der bürgerlichen und
politischen Rechte ausgeschlossen werden. Vgl. Art. 5, 27 und 35 für Bulgarien, Montenegro
und Serbien.
d) Kein Staat ist der Gerichtsbarkeit eines anderen unterworfen. Par in parem non
habet iuriscictionem. Unzulässig sind Klagen gegen einen fremden Staat aus völkerrecht-
lichen Verbindlichkeiten, aus obrigkeitlichen Akten und aus Anleiheverträgen. Ausgeschlossen.
ist auch ein Strafverfahren gegen fremde Staaten, selbst wenn die Deliktsfähigkeit juristischer
Personen sonst anerkannt ist. Bestritten ist dagegen die Anwendbarkeit des aufgestellten Satzes
auf gewöhnliche Zivilprozesse, in denen ein fremder Staat als privatrechtliche Person (Fiskus)
Partei ist. Er ist im Ausland wohl nur unterworfen: 1. dem forum rei sitae für unbewegliche
Sachen, 2. dem korum, welches er selbst für den einzelnen Streitfall durch Erhebung der Klage
oder dadurch anerkannt hat, daß er als Beklagter die Unzuständigkeit des Gerichts nicht geltend
gemacht hat 1.
e)Kein souveräner Staat kann den Vorrang vor einem anderen beanspruchen. Der
Grundsatz der Gleichheit beherrscht den geschäftlichen und zeremoniellen Verkehr der Staaten
(Ehrenerweisungen, Schiffsgruß). Nur die höfische Etikette unterscheidet noch Staaten mit
und ohne königliche Ehren; auf Republiken ist dieser Unterschied ohne Künstelei nicht übertragbar.
Der halbsouveräne rangiert hinter dem ihm übergeordneten Staat; Ausnahme: Bulgarien auf
der Haager Konferenz 1907; Rev. Cén. 15 527/8.
§ 7. 2. Die halbsouveränen Staaten.
Literatur. ZJZiellinek: Die Lehre von den Staatenverbindungen, Wien 1882; Brie:
Theorie der Staatenverbindungen, Breslau 1886; Heilborn: Das völkerrechtliche Protektorat,
Berlin 1891; Bornhak: Einseitige Abhängigkeitsverhältnisse unter den modernen Staaten, Leiyfig
; Engelhardt: Les protectorats anciens et modernes, Paris 1896; Despagnet: Essai sur les
rotectorats, Paris 1896; Gairal: Le protectorat international, Paris 1896; Boghitchtvitch:
albsouveränität, Berlin 1903; v. Grünau: Die staats= und völkerrechtliche Stellung Agyptens,
eipzig 1903; v. Dungern: Das Staatsrecht Agyptens, Graz 1911; Finnland und Rußland: Die
internationale Londoner Konferenz vom 26. Febr.—I. März 1910, Leipzig 1911; Rev. Gén. 2
583, 3 26, 166, 613, 5 207, 15 524, 17 55; ZVölk. 2 376.
Die Halbsouveränität besteht entweder in einer Beschränkung der völkerrechtlichen Rechts-
fähigkeit oder in einer Beschränkung der Geschäftsfähigkeit bzw. in Geschäftsunfähigkeit. Beide
Arten der Halbsouveränität können bei einem Staat zusammentreffen; doch ist dies zufällig.
Deliktsfähig sind alle halbsouveränen Staaten.
Staaten in ähnlicher Lage wie die halbsouveränen der Gegenwart hat es zu allen Zeiten.
gegeben. Die historische Betrachtung hat vom Lehnswesen auszugehen. Die lehnrechtliche
Verbindung zwischen dem Herrn (Suzerän) und dem Vasallen ist auf das Verhältnis von Staats-
haupt zu Staatshaupt übertragen worden. Sie entstammt aber einer Zeit, welche den völker-
rechtlichen Souveränitätsbegriff nicht kannte, und läßt sich diesem ebensowenig einordnen, wie
die modernen Halbsouveräne unter den lehnrechtlichen Typus gebracht werden können. Der
Herr schuldete dem Vasallen Schutz und Treue; dieser war ihm zu Treue, Ehrerbietung, Hof-
und Kriegsdienst verbunden. Das Verhältnis konnte so locker sein, daß der Vasallenstaat nach
heutigen Begriffen als souverän zu bezeichnen wäre.
: v. Bar: Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts 2 660 ff.; Böhms Z. 3 275 ff.;
Loening: Gerichtsbarkeit über fremde Staaten und Souveräne, Halle a. S. 1903; Anzilotti,
Rivista 5 473; Fall Hellfeld 1909: Entscheidung des preußischen Kompetenzgerichtshofs vom
25. Juni 1910 in den Rechtsgutachten über „Zwangsvollstrechung gegen fremde Staaten und
Kompetenzkonflikt" von Brie, Fischer und Fleischmann, Breslau 1910. Weitere Gutachten:
Triepel, Arch OsfK. 28 212, Kohler, Laband, Meili und Seuffert, Z VölkR. 4 309/448; Fischer;
Die Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche gegen ausländische Staaten, Leipzig 1912.