Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

508 Paul Heilborn. 
A. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Im Auf- 
trag des Staatshaupts führt er die Geschäfte seines Staats mit fremden Staaten; ihm unter- 
stehen alle in auswärtigen Angelegenheiten tätigen Beamten seines Staats; er verhandelt mit 
den Agenten fremder Staaten, wohnt auch meist den Audienzen der fremden Gesandten bei 
seinem Staatshaupt bei; von ihm, in der Regel mit seiner Unterschrift, gehen die diplomatischen 
Depeschen aus. Zu seiner Unterstützung und Vertretung dienen die Beamten des Ministeriums 
der auswärtigen Angelegenheiten. 
B. Der Gesandte ist ein mit diplomatischem Charakter bekleideter, öffentlich be- 
glaubigter Vertreter eines Staats bei einem anderen Staat. Der diplomatische Charakter be- 
zieht sich auf die Vorrechte des Gesandten im Empfangstaat. Man unterscheidet: 
1. Geschäfts- und Zeremonialgesandte; die letzteren vertreten ausschließlich im höfischen 
Verkehr, bei Hochzeiten, Krönungsfeierlichkeiten usw.; 
2. ständige und nichtständige Gesandte. Die nichtständigen Gesandten haben einen 
bestimmten Auftrag auszurichten; mit Erledigung dieses Auftrags ist die Mission beendet. 
Der ständige Gesandte hat den Absendestaat auf unbestimmte Zeit beim Empfangsstaat zu ver- 
treten und alle Angelegenheiten wahrzunehmen, für welche nicht besondere Vertreter, z. B. 
ein nichtständiger Gesandter, bestellt werden. Im allgemeinen scheiden aus dem Kreis der 
ihm übertragenen Geschäfte alle den Konsuln zugewiesenen aus. Doch werden gewisse An- 
gelegenheiten sowohl dem Gesandten wie dem Konsul anvertraut: Schutz der Angehörigen 
des Heimatstaats und seiner wirtschaftlichen Interessen, standesamtliche Funktionen, Erteilung 
und Visierung von Pässen, Überwachung der Ausfühxung der Staatsverträge. Die politischen 
Angelegenheiten werden regelmäßig dem Gesandten vorbehalten und dem Konsul nur dann 
übertragen, wenn der Heimatstaat im fremden Staat keine Gesandtschaft unterhält. 
C. Der Konsufl ist ein öffentlich beglaubigter, ständiger Vertreter des Absendestaats 
beim Empfangstaat mit lokal beschränktem Wirkungskreise. Nur in ganz kleinen Staaten, wie 
Monaco, sind die auswärtigen Mächte je durch einen Konsul vertreten; in größeren Staaten 
unterhalten sie deren mehrere, aber immer nur einen ständigen Gesandten. Der wesentliche 
Unterschied zwischen Gesandten und Konsuln besteht nicht in ihren Funktionen, sondern in ihrer 
persönlichen Stellung (5§ 31 ff.). — In seinem Bezirk hat der Konsul einmal die wirtschaftlichen 
Interessen des Absendestaats wahrzunehmen und dessen Angehörige dem Aufenthaltstaat gegen- 
über zu schützen, sodann die Staatsgewalt des Absendestaats über die Untertanen auszuüben. 
Die letztere, zum Teil auch dem Gesandten übertragene Tätigkeit ist innerstaatlicher Natur, aber 
dadurch eigenartig, daß sie in fremdem Staatsgebiet ausgeübt wird. In der Regel bestimmen 
die Staatsverträge, in welchem Umfang es geschehen darf. Hierher gehören: die Polizeigewalt 
über die heimischen Schiffe, Fürsorge für den Nachlaß, Gewährung von Rechtshilfe an die heimi- 
schen Gerichte, freiwillige Gerichtsbarkeit, in den meisten nichtchristlichen Staaten auch die 
Konsulargerichtsbarkeit über die Angehörigen des christlichen Heimatstaats. — Mitunter wird 
ein Konsul zugleich als diplomatischer Agent beglaubigt. 
D. Die Halbdiplomaten. Mit diesem Namen werden alle ins Ausland ent- 
sendeten, mit der Besorgung auswärtiger Staatsgeschäfte beauftragten Personen bezeichnet, 
welche nicht als Gesandte oder Konsuln beglaubigt sind. Sie können eine ständige oder vor- 
übergehende, eine offene oder eine geheime Mission haben. Als Halbdiplomaten sind namentlich 
zu nennen: 
1. Kommissare zur Regelung solcher Angelegenheiten, für welche es technischer Kenntnisse 
bedarf: Grenzfestsetzungen, Abschluß von Handels-, Eisenbahn-, Post= und Telegraphenverträgen; 
2. offizielle Agenten der Staaten, welche die Kosten einer förmlichen Gesandtschaft scheuen; 
3.n offiziöse Agenten von Staaten ohne Gesandtschaftsfähigkeit (§ 31) und einer de facto 
Regierung, d. h. einer aufständischen, als kriegführende anerkannten Partei (§ 59 III). Von 
anderen Staaten werden solche Agenten empfangen, aber meist nicht entsendet. In den Staaten 
ohne Gesandtschaftsfähigkeit sind die souveränen Staaten durch Konsuln vertreten. 
Die unter A—D genannten Personen stehen in dienstlichem, durch das heimische Staats- 
recht geregeltem Verhältnis zu dem Staat, dessen Geschäfte sie besorgen. Die Stellung des 
Ministers der auswärtigen Angelegenheiten wird ausschließlich durch das heimische Staats-
	        
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