510 Paul Heilborn.
2. Geschäftsfähigkeit (§ 7 I).
3. Die Willenserklärung muß abgegeben werden vom zuständigen Staatsorgan oder
von einem bevollmächtigten Vertreter. Bis zur Abgabe der Willenserklärung kann die Voll-
macht widerrufen werden. Die ohne Vollmacht sowie die unter Überschreitung der Vollmacht
abgegebene Erklärung bedarf der Genehmigung durch das zuständige Staatsorgan. Bei Hand-
lungen von Staatsbeamten innerhalb des ihnen gewöhnlich zugewiesenen Geschäftskreises gilt
das Stillschweigen des Staatsorgans als Genehmigung, sobald es von der Handlung Kenntnis
erlangt hat und die Nichtbestätigung aussprechen konnte.
4. Die Willenserklärung muß frei abgegeben werden und dem Willen des handelnden
oder vertretenen Staatsorgans entsprechen.
a) Zwang. Das Völkerrecht gestattet den Staaten die gewaltsame Selbsthilfe und deren
Androhung in bestimmtem Umfang (§5 56 ff.). Folglich kann ein Staat seine Willenserklärung
als erzwungen nur anfechten, wenn der Zwang nicht erlaubt war. Rechtswidrig sind Androhung
und Anwendung verbotener Gewaltmittel, insbesondere die Abnötigung einer Willenserklärung
durch Gewalt oder Drohung gegen die Person eines Staatsvertreters. Die Willenserklärung
eines Staatshaupts in Kriegsgefangenschaft ist nicht ohne weiteres erzwungen. Gegenwärtig
wird aber der Staat, dessen Oberhaupt in Kriegsgefangenschaft geraten ist, eine Regentschaft
einsetzen; das gefangene Staatshaupt kann dann für den Staat nicht mehr handeln.
b) Irrtum und Betrug. Nur ein wesentlicher und unvermeidlicher Irrtum über den
Inhalt der abgegebenen Willenserklärung berechtigt zu deren Anfechtung, auch wenn der Irr-
tum durch Betrug heworgerufen war. Im allgemeinen kann sich jeder Staat über die in Be-
tracht kommenden Verhältnisse unterrichten; er weiß, daß ihn der Gegner übeworteilen möchte.
Die Unerfahrenheit und Sorglosigkeit seiner Organe und Vertreter muß er selbst tragen. Die
Anfechtung ist fermer nur dann zulässig, wenn sowohl der Vertreter wie das vertretene Organ-
sich im Irrtum befanden.
5. Die Abgabe der Willenserklärungen unterliegt im allgemeinen keinen Formvorschriften:
sie kann mündlich, schriftlich und durch konkludente Handlungen erfolgen. Soweit der Wille
nicht durch eine konkludente Handlung erklärt wird, ist indessen schriftliche Mitteilung durchaus
üblich; denn die handelnden Menschen wechseln, die Staaten aber sollen berechtigt und ver-
pflichtet, Mißverständnisse verhüten werden. Für einzelne Rechtsgeschäfte, z. B. für die
Okkupation und die Verhängung einer Blockade, bestehen besondere Formvorschriften.
6. Die Willenserklärung muß einen möglichen und erlaubten Inhalt haben. Rechts-
geschäfte, welche unmöglich erfüllt werden können, sind nichtig; der physischen steht die juristische
Unmöglichkeit gleich: Abtretung einer Provinz, die dem Abtretenden nicht gehört. Nichtig sind
ferner Rechtsgeschäfte, welche anerkannten Verbotsnormen des Völkerrechts widerstreiten,
endlich unsittliche Geschäfte. Welche Geschäfte diesen Charakter haben, läßt sich nur von Fall
zu Fall entscheiden.
Die Rechtsgeschäfte sind einseitige oder zweiseitige, Verträge, je nachdem sie die Willens-
erklärung eines oder die wechselseitige mehrerer Staaten bedingen. An dieser Stelle sind sie
nur insoweit zu besprechen, als sie Mittel zur Begründung, Abänderung, Erhaltung oder Auf-
hebung von Rechten verschiedener Art sind.
§ 14. 2. Einseitige Rechtsgeschäfte.
I. Die Anerkennung ist selbständiger Verpflichtungsgrund. Die Fähigkeit zur
Übernahme der konkreten Verpflichtung vorausgesetzt, genügt der in der Anerkennung aus-
gesprochene Wille des Staats zur Begründung seiner Verpflichtung, zur Entstehung des ent-
sprechenden Rechts. Eine causa ist nicht erforderlich. Daher ersetzt die Anerkennung die dem
Völkerrecht unbekannte Verjährung: ist eine Anderung der Rechtslage nicht nachweislich auf
rechtmäßigem Wege herbeigeführt, so reicht die Anerkennung der Betroffenen hin, um sie zur
rechtmäßigen zu machen. — Neben den Verträgen ist sie das wichtigste völkerrechtliche Rechts-
geschäft. Sie erfolgt sehr häufig stillschweigend: durch wissentliche Duldung, durch Nichteinlegung
des erforderlichen Protestes.