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III. Höchstpersönliche Verwaltungs- und Nutzungsrechte. Ein
Staat erwirbt das Recht, fremdes Staatsgebiet zu besetzen und zu verwalten, eventuell auch
die Nutzungen für sich zu ziehen. Das fremde Gebiet wird mitsamt den Bewohnern der Staats-
gewalt des Berechtigten unterworfen, gehört aber nach wie vor dem Verpflichteten; die Be-
wohner bleiben dessen Untertanen. Bei den Dienstbarkeiten werden sie dagegen dem Berech-
tigten nicht untergeordnet: Besetzung und Verwaltung Cypems durch England, Bosniens und
der Herzegowina durch Osterreich-Ungarn (beendigt durch die Annexion 1908/9, Strupp 2 24/32),
Kiautschous durch das Deutsche Reich (Fleischmann 287), Weihai-weis durch England, Port-
Arthurs durch Rußland, später Japan (Friede von Portsmouth 27. 8./5. 9. 1905 Art. 5,
Strupp 2 140). Diese Rechte sind stets höchstpersönliche. Der Belastete will sie nicht irgend-
einem Staat, sondern nur diesem einen einräumen. Der Berechtigte kann sein Recht deshalb
an einen Dritten nicht abtreten. Zieht er sich aus dem Gebiet zurück, so wird die Gebietshoheit
des belasteten Staats ohne weiteres unbeschränkt. Tatsächlich dienen diese Rechtsverhältnisse
zur Vorbereitung einer aus politischen Gründen vertagten Gebietsabtretung.
IV. Das Pfandrecht, das Recht, fremdes Staatsgebiet zur Sicherheit für die Er-
füllung einer Forderung in Besitz zu nehmen. Der Gläubiger erlangt nur das Recht zum Besitz,
nicht die Fähigkeit, sich eventuell durch Verkauf des Pfandes Befriedigung zu verschaffen. Er
behält den Besitz, bis ihm die geschuldete Leistung zuteil wird. Das Pfandrecht kommt mit
Übertragung der Verwaltungs- und Nutzungsrechte und ohne solche vor. Oft wurde es zur
Sicherung für die Geldschuld eines Staats an den anderen begründet. Vgl. Versailler Friedens-
präliminarien vom 26. Februar 1871 Art. 3, Frankfurter Friede vom 10. Mai 1871 Art. 7 u. 8
(Fleischmann 98, 101/2). Zur Sicherung einer Leistung politischen Inhalts wurden Teile des
französischen Staatsgebiets in Art. 5 des Pariser Friedens vom 20. November 1815 verpfändet
(ebenda 21). — Die Verpfändung Wismars seitens Schwedens an Mecklenburg-Schwerin ist
erledigt durch Stockholmer Verträge vom 20. Juni 1903 (ebenda 339).
8§ 20. b) Beschränkungen im Interesse der Schiffahrt.
Literatur. Engelhardt: Du régime conventionnel des fleuves internationaux, Paris
1879, und: Histoire du droit fluvial conventionnel, Paris 1889; Orban: Etude de droit
fluvial international, Paris 1896; Stoerk: Studien zum See= und Binnen-Schiffahrtsrecht, in
Stengels Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts, Ergänzungsband III, Freiburg i. B. 1897;
Ghica: Des droits de péage aux Portes de fer, Paris 1899; Strisower: Donau und Elbe (österreich.
Staatswörterbuch) 1907; Huber: Rechtsgutachten über die Gebletspoher an längsgeteilten Grenz-
flüssen, Zürich 1905, und: Internationales Wasserrecht (Schweizerische Wasserwirtschaft, Bd. 3/4),
Hörich 1911; Gorianow: Le Bosphore et les Dardanelles, Paris 1910; Arias: The Panama Canal,
ondon 1911; den Beer Poortugael: La neutralité sur ’Escaut, Haag 1911; Demorgny: Laquestion
du Danube, Paris 1911; Arch OffK. 21 467, 29 53; Z VölkR. 1 29, 159, 4 208, 5 187; Rev. 43 20;
Rev. Gén. 17 197, 281, 549, 609, 624, 19 710; Rivista 5 551. — Reichsgesetz vom 24. Dezember
issr Ausbau der deutschen Wasserstraßen und die Erhebung von Schiffahrtsabgaben
( . 1137).
I. Die Flüsse. Kraft seiner Gebietshoheit darf der Staat die Benutzung des ihm
gehörigen Flußlaufs nach Belieben regeln. Insbesondere kann der stromabwärts gelegene
Staat dem stromaufwärts gelegenen und dessen Angehörigen den Zugang zum Meere ver-
sperren oder ihn an die Erlegung hoher Abgaben binden. An diesem System hielten die Staaten
im 17. und 18. Jahrhundert fest. Die erste französische Republik hat mit ihm in Europa
gebrochen, indem sie am 16. November 1792 den Grundsatz aufstellte: qu'une nation ne saurait
Sans injustice prétendre au droit d'occuper exclusivement le canal d’une rivière et d’empscher
due les peuples voisins qui bordent les rivages supérieurs ne jouissent du méme avantage.
Durch eine Reihe von Verträgen verschaffte Frankreich diesem neuen Grundsatz Geltung. In
Verfolg des Art. 5 des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 (Martens: N. R. 2 1) hat der Wiener
Kongreß Schiffahrtsakten für Rhein, Neckar, Main, Mosel, Maas und Schelde ausgearbeitet
(Anlage 16 der Wiener Kongreßakte, ebenda 436), zugleich aber auch allgemeine Grundsätze
über die Freiheit der Schiffahrt auf den in ihrem schiffbaren Lauf das Gebiet mehrerer Staaten
trennenden oder durchlaufenden Strömen aufgestellt (Kongreßakte Art. 108—116, ebenda 427).
Diese allgemeinen Grundsätze sind nicht ohne weiteres auf andere Flüsse anwendbar, sondern