Bölkerrecht. 523
b) Auswanderung binnen bestimmter Frist. Der Untertan soll die Vorteile der staatlichen
Gemeinschaft nicht genießen, wenn er sich den Pflichten für die Zukunft entzieht.
III. Die Heimatlosen,, d. h. Menschen ohne Staatsangehörigkeit. Sie sind nicht
Objekte völkerrechtlicher Rechte und völkerrechtlichen Schutzes der Staaten. Ihre Beziehungen
zu jedem einzelnen Staat werden lediglich durch dessen Landesrecht geregelt. Sie werden von
dem einzelnen Staat anderen Menschen gegenüber, sie werden von seiner Rechtsordnung ge-
schützt, insoweit sie auf alle Menschen Anwendung findet. Sie werden aber nicht gegen den Staat
geschützt, denn hinter ihnen steht kein schützender Staat. Einer Zwangsnaturalisation steht
nichts im Wege. Es ist gleichgültig, ob der Heimatlose niemals einem Staat angehört oder
die ehemalige Staatsangehörigkeit eingebüßt hat. Mit ihrem Untergang ist auch das Schutz-
recht erloschen. Anderseits sind die Heimatlosen auch nicht zur Beobachtung des Völkerrechts
verpflichtet; es wendet sich nicht an sie. Die von zivilisierten Staaten zum Schutz von Heimat-
losen oder gegen solche ergriffenen Maßregeln — Befreiung von Sklaven, Maßnahmen gegen
Sklavenhändler und Seeräuber, Strafexekutionen gegen Barbaren — fallen nicht unter das Völker-
recht. Sie sind rechtlich unverbotene Handlungen natürlicher Selbst- und Nächstenhilfe.
§ 25. 2. Die Rechtsverhältnisse im allgemeinen.
Der Staat herrscht über seine Untertanen zu seinem eigenen und zu ihrem Besten; er
erstrebt nicht nur seinen Vorteil, sondern gewährt auch ihnen die Möglichkeit zur Entfaltung
ihrer Anlagen und Kräfte, zur Erreichung würdiger Lebenszwecke. Dazu ist in erster Linie er-
forderlich Schutz für die Person und ihre Rechte sowie ein gewisses Maß von Freiheit. Soweit
das Leben der Untertanen sich nicht ausschließlich innerhalb der heimischen Staatsgrenzen ab-
spielt, will der Staat ihnen auch im Auslande die Verfolgung ihrer erlaubten Lebenszwecke
sichern, sie vor Ungerechtigkeit und Willkür schützen. Das Völkerrecht trägt dem Rechnung.
Es verpflichtet die Staaten, in ihrem Landesrecht den Angehörigen anderer Staaten Schutz
fürihre Personundihre Recht e zuteil werden zu lassen. Diese Verpflichtung recht-
fertigt sich damit, daß der Heimatstaat in fremdem Staatsgebiet Hoheitsakte nicht selbst vor-
nehmen, mithin seine Angehörigen dort nicht durch unmittelbares Eingreifen schützen darf.
Der fremde Staat ist allein in der Lage, Schutz zu gewähren (Triepel 335). Die Pflicht zum
Schutz fremder Staatsangehöriger in ihrer Person und in ihren Rechten erstreckt sich deshalb
nicht nur auf das Staatsgebiet, sondern auch auf andere Gebietsteile, von denen die diesseitige
Staatsgewalt fremde Staatsgewalten ausschließt: Protektoratsgebiete, der occupatio bellica
unterworfene Länder, femer auf die Nationalschiffe (§§ 42, 43). Hierauf hat der Heimatstaat
Anspruch. Der Schutz der Person und ihrer Rechte bildet die Grundlage für die Stellung der
Angehörigen eines Staats zu anderen Staaten gleichviel, wo der einzelne Angehörige sich aufhält.
1. Der Schutz der Person. Der Staat muß den Angehörigen eines anderen Staats als
Person, d. h. als Rechtssubjekt, anerkennen und schützen. Ausgeschlossen ist damit die Behandlung
als Sklave. Unbedingt genießt der Fremde strafrechtlichen Schutz; als vermögens- und prozeß-
fähig ist er grundsätzlich anerkannt; die Einzelheiten bleiben der Darstellung im § 27 vorbehalten.
Den Mädchenhandel bekämpfen Abkommen vom 18. Mai 1904 und vom 4. Mai 1910 (RGl.
1905 S. 695, 1913 S. 31).
2. Der Schutz der Rechte. Welche Rechte des Fremden ein Staat als wohlerworben
anerkennt und schützt, bestimmt sich in Ermangelung eines Staatsvertrags nach seinem Landes-
recht. Die Doktrin des internationalen Privatrechts ist nicht ohne weiteres verbindlich, gelangt
aber in Verträgen und in der Gesetzgebung immer mehr zur Anerkennung. Vgl. die Haager
Abkommen vom 12. Juni 1902 (Fleischmann 330) und vom 17. Juli 1905 (RGl. 1912 S. 453,
475, 1913 S. 249), ferner die Brüsseler Ubereinkommen vom 23. September 1910 zur einheit-
1 Nicht Schutz in anderen Staaten, sondern Schutz auch in der Heimat gegen gewerbliche
Ausnutzung bzw. Schädigung der Gesundheit bezwecken die Abkommen vom 26. September 1906
über das Verbot der Nachtarbeit der gewerblichen Arbeiterinnen und über das Verbot der Ver-
wendung von weißem (gelbem) Phosphor zur Anfertigung von Zündhölzern (Rel. 1911 S.ö,
17; vgl. Reinsch: Public international unions, Boston 1911, S. 42/9).