Bölkerrecht. 525
militärischen Dienstpflicht. Völkerrechtlich ist es dem Staat unbenommen, die Auswanderung
überhaupt zu untersagen und zu verhindern. Die Verbannung von Staatsangehörigen ist nur
ausführbar, wenn ein fremder Staat den Verbannten aufnimmt; der Heimatstaat darf seine
Untertanen fremden Staaten nicht zuschieben, auch dann nicht, wenn er ihnen die Staatsangehörig-
keit genommen hat.
Ob der Untertan ein Recht zur Rückkehr in die Heimat hat, ist eine staatsrechtliche Frage.
Völkerrechtlich ist der Staat zur Aufnahme seiner Angehörigen verpflichtet, wenn fremde
Staaten sich ihrer entledigen wollen; denn er nimmt die Herrschaft über sie, anderen Staaten
gegenüber ein Recht an ihnen in Anspruch. Die Aufnahmepflicht erstreckt sich nach moderner
Vertragspraxis auch auf ehemalige Staatsangehörige, solange sie eine andere Staatsangehörig-
keit nicht erworben haben.
II. Die Personalhoheit. Wo immer er sich befinden mag, ist der Untertan der
Herrschaft des Heimatstaats unterworfen, in Gemäßheit des heimischen Staatsrechts zum Ge-
horsam verpflichtet. Die Personalhoheit erlischt erst mit der Staatsangehörigkeit; sie wird aber
vielfach beschränkt und in ihrer Ausübung gehemmt durch die Territorialhoheit des Aufenthalts-
staats, d. h. desjenigen Staats, in dessen Gebiet der Untertan zurzeit weilt (§ 27). Die Personal-
hoheit betätigt sich einmal in Anforderungen des Heimatstaats an seine Untertanen im Aus-
land. Zwang darf in fremdem Staatsgebiet regelmäßig nicht ausgeübt, der Untertan erst zur
Verantwortung gezogen werden, wenn er wieder in die Gewalt des Heimatstaats gelangt ist.
Sodann wird die Personalhoheit auf fremdem Staatsgebiet in gewissen Fällen auch unmittelbar
zur Geltung gebracht. Dies setzt Duldung des fremden Staats oder einen durch Vertrag er-
worbenen Anspruch voraus.
A. Anforderungen des Heimatstaats an seine Untertanen im Ausland: 1. Er gebietet
die Rückkehr, wenn er der Untertanen bedarf: zur Erfüllung der Wehrpflicht und in Kriegs-
zeiten. 2. Er gebietet die Entrichtung von Steuern. 3. Er fordert auch im Ausland Gehorsam
gegen seine Strafgesetze und verfolgt die von seinen Angehörigen daselbst begangenen Ver-
brechen. 4. Er verbietet den Eintritt in fremden Staats- und Militärdienst.
B. Die unmittelbare Ausübung der Personalhoheit ist auf staatenlosem Gebiet nur durch
die Normen des Schiffsrechts (§§ 42, 43) beschränkt. In fremdem Staatsgebiet wird sie, soweit
zulässig, durch die Gesandten und namentlich durch die Konsuln gehandhabt.
1. Der Heimatstaat übt im Ausland mit Bewilligung des Aufenthaltstaats freiwillige
Gerichtsbarkeit aus, um seinen Angehörigen die Vomahme von Rechtshandlungen, die Regelung
ihrer Angelegenheiten nach den Vorschriften des heimischen Rechts und mit Wirksamkeit für die
Heimat zu ermöglichen: Ausstellung öffentlicher Urkunden in privaten Angelegenheiten, Auf-
nahme von Testamenten und Notariatsurkunden, Eheschließung, Beurkundung des Personen-
stands, Fürsorge für den Nachlaß.
2. Der Heimatstaat übt Polizeigewalt und streitige Gerichtsbarkeit insoweit aus, als der
Aufenthaltstaat zu seinen Gunsten darauf verzichtet hat. Die Personalhoheit kann jederzeit
voll und ganz wirksam werden, sobald ihr eine fremde Territorialhoheit nicht entgegensteht.
Die Polizeigewalt wird namentlich über Schiffe in fremden Gewässem, sie und die streitige
Gerichtsbarkeit in den Konsulargerichtsbezirken geübt (§§s 40, 42).
8§ 27. 4. Die Fremden.
Literatur. Cailleux: La question chinoise aux Etats-Unis et dans les possessions des
bulsgonees européennes, Paris 1898; v. Conta: Die Ausweisung aus dem Deutschen Reich usw.,
erlin 1904; v. Overbeck: Niederlassungsfreiheit und Auswanderungsrecht, Karlsruhe 1907;
Heinrichs: Deutsche Niederlassungsverträge und Ubernahmeabkommen, Berlin 1908; Saloy:
L'immigration aux Etats- Unis, Paris 1908; Langhard: Die politische Polizei der schweizerischen
Eidgenossenschaft, Bern 1909; Martini: L'expulsion des étrangers, Paris 1909; v. Frisch: Das
Fremdenrecht, Berlin 1910; ArchOffR. 23 123; Z VölkN. 4 62, 5 278, 478; Rev. 25 286, 29 428,
31 554, 32 435, 35 547, 39 711; Rev. Gén. 14 636; Arch R Philos. 6 514.
I. Die Territorialhoheit. Der Ausländer ist im fremden Staatsgebiet der
staatsrechtlichen Herrschaft, der Rechtsordnung des Aufenthaltstaats unterworfen, gleichviel