Böllerrecht. 527
das auf Verkehr im Wege der Post und Telegraphie. In ersterer Hinsicht ist eine allgemeine
Anerkennung der Schutzwirrdigkeit des Interesses nicht erfolgt und mit Rücksicht auf die wichti-
geren handelspolitischen Interessen nicht zu erwarten; nur durch befristete Sondewerträge
wird der Handelsverkehr geregelt. Über den Eisenbahnfrachtverkehr ist ein internationales
Ubereinkommen am 14. Oktober 1890 (RGl. 1892 S. 793, vgl. 1908 S. 515) unterzeichnet
worden. Der Nachrichtenverkehr ist in umfassender Weise gesichert durch den aus dem all-
gemeinen Postverein vom 9. Oktober 1874 am 1. Juni 1878 herworgegangenen Weltpostverein
(ogl. den Vertrag vom 26. Mai 1906, RGl. 1907 S. 593), durch den allgemeinen Telegraphen-
verein vom 17. Mai 1865 und durch die Funkentelegraphenverträge vom 3. November 1906
u. 5. Juli 1912 (RGBl. 1908 S. 411, 1913 S. 373). Vgl. Reinsch a. a. O. 15 ff.
8 28. 5 Asylrecht und Auslieferung.
Literatur. Billot: Traite de Textradition, Parik 1874; v. Holtzendorff: Die Aus-
lieserung der Berbrecher und das Asylrecht, Berlin 1881; Bernard: Trait théorique et pratique
de l’extradition (2), Paris 1890; Lammasch: Auslieferungspflicht und Asylrecht, Leipzig
1887; v. Martitz: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2 Bode.,
Leipzig 1888, 1897; Delius: Das Auslieferungsrecht, Hannover 1899; Fleischmann: Auslieferung
und Nacheile nach deutschem Kolonialrecht, Berlin 1906; Arch OffR. 25 1, 27 247; BöhmsZ. 17 43,
379, 18 398, 22 228; B BölkR. 5 202 und Beiheft, 6 239; Rev. 43 370; Rev. Gén. 3 5, 12 516, 17
449, 18 303; Martens: N. R. Gén., 3. Ser., 4 744.
I. Der Staat ist berechtigt, Fremden ein Asyl zu gewähren: er schützt sie nicht nur gegen
Angriffe anderer Menschen, gegen Eingriffe seiner eigenen Behörden, sonderm auch gegen andere
Staaten. Das Asylrecht des Staats wird nur durch die Auslieferungspflicht beschränkt. Der
Mensch hat aber keinen Anspruch auf Asyl (Fall Savarkar 1910/11).
II. Auslieferung ist die Uberlieferung eines Menschen von Staat zu Staat zum Zweck
der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung. Durch die Auslieferung leisten die Staaten
einander Beistand, Rechtshilfe. Der Verbrecher, wenigstens der gewöhnliche Verbrecher, ist
des Schutzes nicht würdig; er hat seine Strafe verdient. Daß dem Verbrechen die Strafe folge,
ist ein gemeinsames Interesse der Kulturstaaten. Der einzelne Staat aber hat kein Interesse
daran, dem „Auswurf fremder Länder“ eine Zufluchtstätte zu bereiten; er würde dadurch zur
Entsittlichung der eigenen Bevölkerung beitragen. Noch im 18. Jahrhundert war indessen das
Mißtrauen gegen fremde Strafrechtspflege zu groß, waren die Bürgschaften für gerechte Ab-
urteilung zu gering, die Strafen zu hart, oft auch zu willkürlich, als daß eine gleichmäßige, von
festen Rechtsnormen geregelte Auslieferungspraxis sich hätte bilden können. Das geschah erst
auf Grund des belgischen Auslieferungsgesetzes vom 1. Oktober 1833; es stellte die Auslieferung
unter den Grundsatz der Gegenseitigkeit, untersagte die Auslieferung eigener Untertanen und
politischer Verbrecher.
III. Die Auslieferung setzt voraus, daß ein Staat einen in fremdem Gebiet befindlichen
Menschen wegen eines Verbrechens verfolgt. Eine Pflicht zur Auslieferung besteht nur kraft
Vertrages oder besonderer Zusicherung. Großbritannien, die Vereinigten Staaten von Amerika
und einige andere Staaten liefern nur aus, wenn sie dazu verpflichtet sind. Die Pflicht erstreckt
sich lediglich auf die im Auslieferungsvertrag aufgezählten bzw. zum Inhalt der Zusicherung
gemachten Verbrechen. Sie ist weiter an folgende Bedingungen geknüpft:
1. Der ersuchende Staat muß zur Aburteilung des Straffalls zuständig sein, und zwar
sowohl nach eigenem Recht, wie nach dem des ersuchten Staats. Nur im ersteren Fall kann
er selbst einen Strafanspruch gegen den Verbrecher behaupten; nur in letzterem Fall erkennt
der ersuchte Staat einen Strafanspruch an.
2. Der Anspruch kann nur auf die Begehung einer bestimmten Handlung gestützt werden;
diese Handlung aber muß nach dem Recht beider Staaten strafbar sein. Auslieferung ist nicht
Uberlieferung zu beliebiger Verfügung, sondern Rechtshilfe. Nur aus der Verletzung seiner
Rechtsordnung erwächst dem Staat ein Anspruch auf Strafe. Der ersuchte Staat aber kann
nicht ausliefern, wenn die Handlung nach seiner eigenen Gesetzgebung — nach den hier nieder-
gelegten Anschauungen über Recht und Unrecht — nicht strafbar ist.