Strafrecht. 51
8 31. Verbrechen gegen die Ehre.
a) Beleidigung im allgemeinen und einfache Beleidigung (5 185 StGB.).
Die Ehre als Rechtsgut kann nicht mit dem inneren Wert des Menschen zusammen-
fallen und kann nur in einer äußeren Wertschätzung bestehen. Man bestimmt 64 meist
als die Achtung, welche jemand in dem Lebenskreise, dem er angehört, genießt.
Demgemäß ist Beleidigung die Herabsetzung in dieser Achtung. Aber damit kann ihr
Begriff nicht erschöpft sein. Wie schon aus dem Wort Beleid igung hervorgeht, muß mit
der Herabsetzung dem Träger des Rechtsgutes ein Leid, also ein psychischer Schmerz zugefügt
werden. Gehört dieses subjektive Moment zum Begriff der Beleidigung, so muß die Be-
leidigungsfähigkeit von Personengesamtheiten sowie von Kindern und Geisteskrankheiten, die
das beleidigende Wort nicht verstehen, verneint werden.
Daß die einzelnen Angehörigen einer Personengesamtheit beleidigt werden können,
versteht sich von selbst. Aber man muß hier mit der Annahme einer Beleidigung nach zwei
Richtungen hin vorsichtig sein: bezieht sich das beleidigende Wort auf den ganzen Kreis, so
ist von einer Beleidigung keine Rede, wenn dieser nicht festbegrenzt oder so groß ist, daß der
einzelne darin verschwindet. Bezieht er sich auf einige Angehörige des Kreises, so können
die übrigen höchstens indirekt beleidigt sein. Dazu aber gehört, daß sich der Täter bewußt ist,
durch seine Außerung auch die übrigen zu beleidigen.
Das St G. kennt nun eine Beleidigung von befreundeten Staaten (s 102 f. StGB.)
und eine Beleidigung von Behörden und politischen Körperschaften (szs§ 196, 197 StGB.).
Aber beide Fälle gestatten eine ungezwungene Erklärung, welche den Begriff der Beleidigung
in dem angegebenen Sinne unberührt läßt. Bei der Beleidigung befreundeter Staaten ist
allerdings an eine bloße Versagung der schuldigen Achtung gedacht, aber es soll damit auch,
trotz des gleichen Namens, eine von der Beleidigung als Ehrverletzung verschiedene Tätigkeit
unter Strafe gestellt sein.
Was die Beleidigung von Behörden und politischen Körperschaften anlangt, so darf man
nicht außer acht lassen, daß das StG. sie nur gelegentlich bei der Regelung der Antragsbefugnis
erwähnt. Es dürfte darum nur einen umfassenden Ausdruck für den Fall haben verwenden
wollen, daß Mitglieder der Behörde oder Körperschaft in ihrer Eigenschaft als Angehörige der-
selben beleidigt sind, um außer den Beleidigten dem Vorstand der Behörde ein Antrags- und
der politischen Körperschaft ein Ermächtigungsrecht zu verleihen.
Die Beleidigung kann in verschiedener Form geschehen: durch Worte, Zeichen, Gebärden
u. dgl., sog. Verbalinjurie, oder durch Tätlichkeiten, sog. Realinjurie. Der Hauptfall der
letzteren war nach früherem Recht der Schlag ins Gesicht. Nach der heutigen, weiten Fassung
der Körperverletzung geht diese Handlung regelmäßig in deren Begriff auf und kommt nicht
als Beleidigung in Betracht. 6
Hinsichtlich der Schuldform ist Vorsatz erforderlich und ausreichend. Das positive Recht
hat einerseits auf Bestrafung der fahrlässigen Beleidigung verzichtet und fordert andererseits
nur Vorsatz, nirgends Beleidigungsabsicht, auch nicht nach 5 193 StG B. Wer ein Recht zu
einer Außerung hat, welche an sich eine Nichtachtung bekundet, begeht keine Beleidigung. In
5 193 aber hat das StGB. einige Gründe, nach denen die Rechtswidrigkeit entfällt, ausdrücklich
aufzuzählen für nötig erachtet, um jeden Zweifel darüber auszuschließen, und um zugleich zu
betonen, daß auch dann, wenn die Außerung dem Inhalte nach nicht rechtswidrig ist, eine
Beleidigung in der Form oder den äußeren Umständen liegen kann. So begeht zwar der
Vorgesetzte, wenn er dem Untergebenen eine verdiente Rüge erteilt, keine Beleidigung, sollte
der Vorbehalt ihm auch eine ersehnte Gelegenheit sein, seine Nichtachtung auszudrücken; wohl
aber tut er es, wenn er die Rüge außerhalb des Amtslokals vor Dritten, in ungebührlichen
Worten oder mit höhnenden Gebärden erteilt.
b) Able Nachrede und Verlemndung.
I. Von der einfachen Beleidigung unterscheiden sich üble Nachrede (5 186 StGB.) und
Verleumdung (§5 187 StGB.) wesentlich. Beide werden gestraft, ohne daß der Verletzte das
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