Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

530 Paul Heilborn. 
ist nach modernem Völkerrecht jeder fremde Staatsangehörige zu schützen. Der besondere Schutz 
der unverletzlichen Person besteht hier zum Teil in härterer Ahndung einzelner, gegen sie ge- 
richteter Angriffe (Beleidigungen), sodann in der Unzulässigkeit der Verweisung auf den Weg 
der Privatklage: der verpflichtete Staat muß die Bestrafung des Schuldigen selbst herbeiführen, 
sofern er überhaupt eine amtliche Verfolgung von Verbrechen kennt. 
2. Die Exterritorialität umfaßt eine Reihe verschiedenartiger Privilegien auf dem Gebiet 
der Gerichtsbarkeit, des Polizei--, Steuer- und Verwaltungsrechts wie der Religionsübung. 
Der Name des Vorrechts stammt von der Fiktion des Grotius her, die Gesandten seien so an- 
zusehen, als ob sie sich außerhalb des Gebiets (extra territorium) des Empfangstaats befänden. 
(Grotius II 18 8 4.) 
Die einzelnen bevorrechteten Personen genießen diese Vorrechte nicht in gleichem Um- 
fang. Sie selbst haben auch nach Völkerrecht keinen Anspruch darauf; einen solchen hat nur 
der Heimatstaat; sie erhalten einen Anspruch erst durch das Landesrecht des fremden Staats. 
Nicht um ihrer Person, sondern um ihres Amtes Willen, im Interesse des Heimatstaats sind sie 
bevorrechtet. 
§ 30. 5) Die Staatshänpter. 
Die Vorrechte der Unverletzlichkeit und der Exterritorialität stehen den Staatshäuptem 
in gleichem Umfang wie den Gesandten zu. Die Darstellung des Inhalts soll deshalb im Ge- 
sandtschaftsrecht erfolgen. Ein Staatshaupt genießt die Vorrechte im fremden Staat unter 
folgenden Voraussetzungen: 1. Das Staatshaupt muß von dem fremden Staat anerkannt sein; 
2. zwischen dem Heimatstaat und dem fremden Staat muß Friede bestehen; 3. das Betreten 
des Staatsgebiets, das fernere Verweilen daselbst darf dem reisenden Staatshaupt nicht ver- 
boten sein; 4. das Staatshaupt darf nicht persönlich Untertan des fremden Staats sein, auch 
nicht in dessen Diensten stehen. 
Es ist unerheblich, ob Monarchen und Regenten zu amtlichen oder privaten Zwecken reisen. 
Die private und die amtliche Persönlichkeit sind nicht zu trennen. Auch wenn sie inkognito auf- 
treten, ist darin kein Verzicht auf die Vorrechte, sondern nur auf die üblichen Empfangsfeierlich- 
keiten zu erblicken. Den republikanischen Präsidenten will die herrschende Meinung dagegen 
die Vorrechte nur dann zugestehen, wenn sie amtlich reisen. Der Unterschied in der staatsrecht- 
lichen Stellung ist indessen völkerrechtlich ohne Bedeutung. Die Staatspraxis würde es sicherlich 
nicht dulden, wenn gegen einen zum Kurgebrauch in Karlsbad oder Kissingen weilenden Prä- 
sidenten Gerichts= oder Polizeizwang geübt werden sollte. Soweit der reisende Monarch im 
Ausland Regierungsgeschäfte erledigen kann, dürfte das Völkerrecht dem Präsidenten das nämliche 
nicht verwehren. 
An dem Vorrecht der Staatshäupter nimmt das Gefolge und die Dienerschaft teil. Den 
Monarchen und Regenten sind auch die sie begleitenden Familienmitglieder gleichgestellt; reisen. 
diese allein und nicht in Staatsgeschäften, so genießen sie Befreiungen nur nach der Comitas 
gentium. 
Ehemalige Staatshäupter haben auf Vorrechte keinen Anspruch, denn sie sind keine Staats- 
häupter — Uber die Mitglieder des eidgenössischen Bundesrats und der hanseatischen Senate 
vgl. § 10 II B. 
e) Die Gesandten. 
§ 31. a) Erfordernisse der Gesandtenstellung. 
Literatur. Esperson: Diritto diplomatico, Bd. I, Turin 1872; Lehr: Manuel théorique 
ratique des agents diplomatiques et consulaires, franeais et Etrangers, Paris 1888; Pradier 
Popker- Cous de droit diplomatique (2), Paris 1899; Guesalaga: Derecho diplomatico 7. 
Fa# Buenos Aires 1900; Heinze: Die Belagerung der Pekinger Gesandtschaften, Heidelberg 
1901; Dumont: Über die sog. Nebenrechte der diplomat. Agenten, Diss., Bern 1908; Contuzzi: 
Trattato teorico- -ratico di diritto consolare e diplomatico, 2 Bde., Turin 1910/11; Tobar y Bor- 
gono: L'asile interne devant le droit international, Paris 1911; Arch OffT#. 28 454; B BölkR. 2 31, 
5 Beiheft 1, 6 311; Rev. 39 90, 42 112, 43 86; Rev. Gén. 13 163, 14 159, 175, 17 558, 572. Bgl. 
ferner Literatur zu 220
	        
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