Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Völkerrecht. 541 
sowie durch den mit Polizeigewalt bekleideten Kapitän aus. Wie schon angedeutet, erleidet 
diese Regel aber Ausnahmen, sowohl im Krieg wie auch im Frieden. Nur die letzteren sind 
hier zu besprechen: 
1. Nach allgemeinem Völkerrecht. 
a) Zulässig ist die Verfolgung eines Schiffs auf das offene Meer hinaus, wenn sich die 
Mannschaft in den Gewässern eines fremden Staats eines Verbrechens schuldig gemacht hat. 
b) Der Seeraub: der gegen ein Schiff ohne staatliche Ermächtigung begangene gewalt- 
same Angriff, um sich das Schiff, Güter oder Menschen rechtswidrig zuzueignen. Der Seeraub 
auf offenem Meer entzieht dem Schiff den Flaggenschutz. Jedes Kriegsschiff ist berechtigt, 
sich des Piratenschiffs gewaltsam zu bemächtigen und die Mannschaft zur Bestrafung abzuführen. 
Jeder Staat ist zur Bestrafung der Seeräuber berechtigt. Seeraub in staatlichen Gewässerm 
berechtigt hingegen nur zur Notwehr; im übrigen ist der Uferstaat verantwortlich. 
2. Nach partikulärem Völkerrecht. Zur Erleichterung der Kontrolle haben sich die Staaten 
in Verträgen vielfach das Recht zur Anhaltung, Durchsuchung und Aufbringung ihrer Kauf- 
fahrteischiffe zugestanden. Die Maßnahmen dürfen regelmäßig nur von den besonders dazu 
ermächtigten Kriegsschiffen ergriffen werden. Das angehaltene Schiff ist in einen Hafen seines 
eigenen Staats zu bringen; ihm gebührt die Aburteilung. 
a) Die Unterdrückung des Sklavenhandels zur See. Nach vielen Einzelverträgen wurde 
von Preußen, Osterreich, Frankreich, Großbritannien und Rußland am 20. Dezember 1841 
ein gemeinsamer Vertrag über die Bekämpfung des Sklavenhandels unterzeichnet, von Frank- 
reich jedoch nicht ratifiziert (Fleischmann 41). An Stelle Preußens ist das Deutsche Reich in 
diesen Vertrag am 29. März 1879 eingetreten. In ihm wird der Sklavenhandel als Seeräuberei 
erklärt; der Versuch, ihn zu betreiben, entzieht den Schiffen der Signatarmächte den Flaggen- 
schutz. Das Anhaltungsrecht darf in einer bestimmten Zone auf dem Atlantischen und auf dem 
Indischen Ozean ausgeübt werden. Das in unerlaubter Weise oder ohne zureichenden Verdacht 
durchsuchte und aufgebrachte Schiff ist zu entschädigen. Auf der hier geschaffenen Grundlage 
hat die Brüsseler Antisklavereiakte vom 2. Juli 1890 Art. 20/71 ein umfassendes und die Einzel- 
heiten sorgfältig berücksichtigendes Reglement für die Unterdrückung des Sklavenhandels auf 
dem Indischen Ozean ausgearbeitet. Frankreich hat wiederum die Anhaltung und Durch- 
suchung seiner Schiffe nicht zugestanden. 
b) Die Regelung der Hochseefischerei auf der Nordsee, Haager Vertrag vom 6. Mai 1882 
(Fleischmann 178). — Ferner: Die Unterdrückung des Branntweinhandels unter den Nordsee- 
fischern auf hoher See, Haager Vertrag vom 16. November 1887 (ibid. 218). 
c) Der Kabelschutz, Pariser Vertrag vom 14. März 1884, unterzeichnet von 26 Staaten 
(ibid. 189). Die Aufbringung der betroffenen Schiffe ist hier ausgeschlossen. Die Rechte der 
Kriegführenden sind nicht beschränkt. 
Der Regelung besonders bedürftig ist das Seestraßenrecht, weil an sich kein Schiff auf 
hohem Meer an einen bestimmten Kurs gebunden ist. Einheitliche Vorschriften über das Aus- 
weichen, über das Verhalten bei unsichtigem Wetter sind unerläßlich zur Verhütung von Zu- 
sammenstößen. Die Regelung ist jedoch nicht durch Staatsvertrag, sondern durch Gesetze bzw. 
Verordnungen der einzelnen Staaten erfolgt, zunächst in Anlehnung an das englische Recht, 
später auf Grund internationaler Verständigung; vgl. die Kaiserliche Verordnung vom 5. Februar 
1906 (RGl. 120). 
III. Schiffe in fremden Gewässern. 
A. Schiffe in fremden Eigengewässern. Sie sind mit den auf ihnen 
befindlichen Menschen der Territorialhoheit des Uferstaats unterworfen; die Herrschaft des 
Flaggenstaats über die Schiffsbesatzung und die Reisenden wird nicht unterbrochen, aber be- 
schränkt; sie kann sogar begründet werden, wenn ein neuer Schiffsmann oder ein neuer Reisender 
im fremden Hafen in dieses Verhältnis eintritt. In erster Linie bringt aber der Uferstaat seine 
Territorialhoheit ebenso zur Geltung wie über Fremde in seinem Landgebiet. An diesem Grund- 
satz hält namentlich England fest. In den Konsulargerichtsbezirken ist dagegen die Territorial- 
hoheit nach den hier allgemein geltenden Regeln beschränkt. In den meisten europäischen und
	        
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