Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

542 Paul Heilborn. 
amerikanischen Staaten ist ein mittleres System zur Annahme gelangt, auch vielfach in Ver- 
trägen besonders geregelt: in die inneren Angelegenheiten an Bord der fremden Schiffe mischt 
sich der Uferstaat nicht ein, es sei denn, daß die Ruhe oder öffentliche Ordnung am Lande oder 
im Hafen durch Vorfälle an Bord der Schiffe gestört wird, oder daß ein Landesangehöriger 
oder eine nicht zur Schiffsmannschaft gehörige Person beteiligt ist. Die Aufrechterhaltung der 
Ordnung an Bord liegt in diesem Fall dem Konsul des Flaggenstaats ob. Er prüft das 
Recht des Schiffs zur Führung der Flagge, entscheidet, wenigstens vorläufig, alle Streitig- 
keiten zwischen Kapitän und Mannschaft und ist mit weitreichender Polizei-, auch Polizei- 
strafgewalt, ausgerüstet. 
B. Schiffe in fremden Küstengewässern. Nehmen sie hier Aufenthalt, 
„gehen sie vor Anker,“ so sind sie der Territorialhoheit des Uferstaats wie in den Eigengewässem 
unterworfen. Nach dem Gesetz über die Gerichtsbarkeit in britischen Gewässerm vom 16. August 
(Territorial Waters Jurisdiction Act. 1878, 41 & 42 Vict. c. 73, The public general statutes 
passed in . 1878 S. 579 ff.) nimmt England die gleichen Rechte über die seine Küstengewässer 
nur durchfahrenden Schiffe in Anspruch. Dieses Gesetz hat viel Widerspruch herausgefordert. 
Oft wird behauptet, solche Schiffe seien dem Uferstaat überhaupt nicht unterworfen, seien ex- 
territorial. Das geht zu weit; vgl. auch das deutsche Gesetz über die Untersuchung von See- 
unfällen vom 27. Juli 1877 §+ 2 (Rl. 549). Eine feste Praxis hat sich noch nicht gebildet. 
Empfehlenswert dürfte es sein, Handlungen an Bord der durchfahrenden fremden Schiffe der 
Territorialhoheit des Uferstaats nur dann zu unterwerfen, wenn ihre Wirkungen sich über das 
Schiff hinaus erstrecken: unbefugter Fischsang, Zusammenstöße usw. 
8 43. 2. Die Kriegsschiffe. 
Bgl. die Literatur zu # 42; ferner: Arch OffK. 1 461, 677; Rev. 26 378; Rev. Gén. 12 645. 
Das Kriegsschiff dient zur Entfaltung der Militärhoheit des Flaggenstaats. Die Besatzung 
bildet einen Teil seiner bewaffneten Macht. Durch sie, durch den ihr erteilten militärischen 
Befehl wird das Schiff zum Kriegsschiff. Es legitimiert sich durch den militärischen Charakter 
seiner Besatzung, äußerlich durch Flagge und Wimpel, äußersten Falls durch die Segelorder, 
den militärisch-staatlichen Auftrag des Kommandanten. 
In Ausübung seiner Staats- und folglich seiner Militärhoheit ist der Staat weder der 
Gerichtsbarkeit noch sonstwie der Herrschaft eines fremden Staats unterworfen: par in parem 
non babet iurisdictionem (§ 6 III d). Begeht er dabei eine Rechtsverletzung, so ist sie völker- 
rechtlicher Natur und auf völkerrechtlichem Wege zu ahnden. Solange Schiff und Besatzung 
zur Ausübung der Militärhoheit dienen, unterstehen sie deshalb ausschließlich dem Flaggen- 
staat; er ist für die Handlungen seiner militärischen Macht verantwortlich. 
Dies gilt nicht nur für Kriegsschiffe auf offenem Meer und während der Durchfahrt durch 
fremde Küstengewässer, sondern auch während ihres Aufenthalts daselbst und in fremden Eigen- 
gewässern, einschließlich der Häsen. Die Einfahrt in Eigengewässer kann zwar sicherlich unter- 
sagt werden (§ 20 III), soferm der Uferstaat sich nicht durch Vertrag zur Offnung gebunden hat. 
Auf dem Schiff ist die Besatzung aber stets exterritorial in dem nämlichen Sinne wie andere 
exterritoriale Personen: ebensowenig wie der Gesandte darf sie die allgemeine Rechtsordnung 
des Uferstaats verletzen; insbesondere muß sie die Hafenordnung und die sonst für Schiffe er- 
lassenen Vorschriften beobachten. Soweit aber Befreiungen für andere Exterritoriale Platz 
greifen, kommen diese Vorrechte auch der Besatzung des Kriegsschiffs auf ihm zu. 
Das Betreten des Landes ist nicht ohne weiteres gestattet. Geschieht es außerdienstlich, 
so hat die Mannschaft keine Vorrechte. Die dann von ihr an Land begangenen Straftaten kann 
der Uferstaat aburteilen. Die Ubeltäter darf er festrehmen. Nur aus Höflichkeit werden sie 
oft dem Schiffskommandanten zur Bestrafung abgeliefert. 
Nicht bloß die Besatzung, sondern auch das Schiff selbst dient aber zur Ausübung der 
Militärhoheit des Flaggenstaats. Deshalb darf es niemand ohne Erlaubnis des Kommandanten 
betreten, darf er jeden Schiffsfremden von ihm wegweisen. Auch die Staatsgewalt des Ufer- 
staats macht vor dem fremden Kriegsschiff halt; seine Beamten dürfen nicht hinauf. Der Kom-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.