Völlerrecht. 545
8. Einzelne Forderungsrechte.
1. Forderungsrechte aus Verträgen.
UÜber einen großen Teil der Staatsverträge bestimmt das Völkerrecht nichts, was ihr Name
nicht andeutet. Ein Handelsvertrag ist ein Vertrag, welcher die Interessen des Handels und
der Industrie berührt; ein Schiffahrtsvertrag regelt den Schiffahrtsverkehr zwischen den Ländern
der Vertragsparteien. Mehr ist über diese Verträge im allgemeinen nicht zu sagen. Essentialia
und naturalia negotü gibt es nicht. Der besondere Inhalt der einzelnen Handels-, Schiffahrts-
u#sw. Verträge gehört aber nicht in ein allgemeines System.
§ 46. a) Das Bünduis.
Literatur. Erich: Über Allianzen und Allianzverhältnisse nach heutigem Völkerrecht,
Helsingsors 1907; Rev. 39 253.
Das Bündnis ist ein Gesellschaftsverhältnis zu politischem Zweck; es entsteht durch Ver-
trag. Zwei oder mehrere Staaten verpflichten sich wechselseitig, ihre Leistungen zur Erreichung
eines bestimmten politischen Zwecks zu vereinigen. Wesentlich ist: 1. die Einheitlichkeit des
Zwecks, z. B. Aufrechterhaltung des Besitzstandes für beide Teile; 2. der politische Charakter
dieses Zwecks; Gesellschaften zu rein ökonomischen Zwecken unterliegen nicht den für Bünd-
nisse geltenden Regeln; 3. die Verpflichtung zu gemeinschaftlichem Handeln, zum Zusammen-
wirken. Man unterscheidet:
1. Allgemeine und beschränkte Bündnisse. Die Beschränkung kann sich beziehen: a) auf
die Zeit; b) auf das Gebiet: Verpflichtung, nur ein bestimmtes Gebiet zu verteidigen, nur auf
einem bestimmten Kriegsfeld mitzuwirken; c) auf den Gegner (Dreibundverträge, Strupp 2 160);
d) auf die Mittel. Die Beschränkung auf friedliche Mittel ist im Zweifel nicht als gewollt an-
zunehmen. Andere Beschränkungen sind: Stellung eines Hilfskorps von bestimmter Größe,
Zahlung von Subsidiengeldern, Einräumung eines Waffenplatzes.
2. Gleiche und ungleiche Bündnisse.
3. Schutz= und Trutzbündnisse. Diese sind auf „Verfolgung gewisser Ansprüche oder
Erreichung neuer Ziele durch Waffengewalt“, — jene gegen einen etwaigen Angriff von dritter
Seite, auf „Erhaltung eines bestimmten Rechts= oder Besitzstandes gegen jede Beeinträchtigung“,
auf Verteidigung gerichtet. Wer bei einem Krieg Angreifer, wer Verteidiger ist, entscheidet
sich nach der Veranlassung des Krieges, nicht nach dem Beginn der militarischen Operationen.
Bei bedingten Bündnissen ist der Vertrag erst mit Eintritt der Bedingung, des casus
foederis, zu erfüllen. Die Prüfung, ob dies der Fall, steht jeder Vertragspartei nach Maßgabe
des Bündnisvertrages zu. Als Gesellschafter haben die Verbündeten die vereinbarten und
— in Ermangelung einer Vereinbarung — nötigenfalls alle Kräfte zur Erreichung des Bündnis-
zwecks anzuwenden. Die Pflicht zum Zusammenwirken bedingt gemeinsames Vorgehen, auf
diplomatischem Wege und im Kriege; sie untersagt jedem Verbündeten einseitige Verhand-
lungen und Vertragsschlüsse mit dem Gegner. Uber die Teilung von Gewinn und Verlust gibt
es allgemeine Regeln nicht.
8§ 47. b) Die Garantie.
Literatur. Topilian: Les traités de garantie au point de vue juridique, Genf 1904;
Danziger: Die völkerrechtliche Garantie, Diss., Breslau 1910 Quabbe: Die völkerrecht-
liche Garantie, Breslau 1911.
Garantie ist die Übernahme der Haftung dafür, daß ein bestimmtes Recht oder eine
Gesamtheit von Rechten eines anderen Staats von dritter Seite nicht bedroht oder verletzt
werde. Die Garantie wird von einem Staat einem oder mehreren anderen Staaten ge-
leistet; auch können mehrere Garantieversprechen wechselseitig geleistet werden. Zur Wirksam-
keit ist Annahme, d. h. Vertragschluß, erforderlich.
Die mannigfachsten Leistungen und Rechtsverhältnisse können garantiert werden. Als
Beispiele seien genannt: Garantie einzelner Vertragspflichten oder einer Gesamtheit solcher
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubeard. 2. Aufl. Band V. 95