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hängt zwar lediglich am Auftrag, die Vertreter des Beauftragten sind aber im dritten Staat
zur Wahrnehmung der Rechte und Interessen ihres Heimatstaats, nicht zu der des Auftrag-
gebers zugelassen. Für dessen Angehörige können sie deshalb nur eintreten, wenn der dritte
Staat darein willigt. (Vgl. Regulations prescribed for the use of the consular service of the
United States. Washington 1888 § 149.) Ein Widerspruch ohne triftigen Grund würde indessen
auf eine Rechtsverweigerung hinauslaufen. Unter diesem Gesichtspunkt war der brasilianische
Präsident Peixoto im Unrecht, als er die Beschützung der österreichisch-ungarischen Staats-
angehörigen durch die Vertreter des Deutschen Reichs im Winter 1893/94 zurückweisen wollte.
Dagegen konnte die Türkei, nachdem sie gegen die Begründung des französischen Protektorats
über Tunis Protest eingelegt hatte, die Beschützung der Tunesier durch die Vertreter Frankreichs
— zunächst wenigstens — sehr wohl zurückweisen.
Der Beauftragte nimmt die Rechte und Interessen des Auftraggebers wahr. Maßgebend
sind deshalb die zwischen diesem und dem dritten Staat bestehenden Rechtsverhältnisse. In-
sonderheit kann der Beauftragte für die Angehörigen des Auftraggebers nicht diejenige Behand-
lung fordern, welche seinen eigenen Untertanen gebührt, sondern nur die dem allgemeinen
Völkerrecht oder den besonderen Verträgen des Auftraggebers entsprechende; diese aber auch
dann, wenn sie günstiger sein sollte als die seinen eigenen Untertanen zukommende Behandlung.
Ob die Beamten des beauftragten Staats nur von diesem oder auch direkt vom Auftrag-
geber Weisungen entgegenzunehmen haben, hängt von den Vereinbarungen der beiden Staaten,
eventuell von den Befehlen des beauftragten Staats ab. Seine Beamten werden persönlich
dem Auftraggeber weder untergeordnet noch verantwortlich; für sie haftet der beauftragte Staat
dem Auftraggeber. Vertrag über die Unterdrückung des Sklavenhandels vom 20. Dezember
1849 Art. 13, 14 (Fleischmann 41) — Brüsseler Antisklavereiakte vom 2. Juli 1890 Art. 53 ff.,
58 (ibid. 226). Dagegen trägt der Auftraggeber dritten Staaten gegenüber die Verantwortung
für die innerhalb der Vertretungsmacht vorgenommenen Handlungen. Eine Regierung kann
aber auch einen einzelnen Beamten des fremden Staats aus persönlichem Vertrauen zu ihrem
Beaufstragten machen. So Venezuela den amerikanischen Gesandten Bowen 1903. Der Auf-
trag wird dann nicht dem Heimatstaat des Beamten, sondern nur diesem selbst erteilt. Diesen
Fall scheint das amerikanische Konsularreglement (5 149) als den regelmäßigen vorauszusetzen.
§ 49. 4) Die Abgrenzung von Interessensphären.
Literatur. Hasenjäger, vgl. zu § 22; Weißmüller: Die Interessensphäre, Diss., Würz-
burg 1908; Rev. Gén. 5 859, 6 307; Rivista 2 335; Vertrag zw. Großbritannien und Rußland
über die afiatifchen Angelegenheiten vom 31. August 1907, Strupp 2 191.
Dieses Rechtsgeschäft wurde bereits im § 22 (5 a) als Mittel zur Erlangung eines Vor-
rechts auf Okkupation erwähnt. Es dient aber weiteren Zwecken. Mehrfach haben Staaten
ihre Interessensphären auf fremdem, der Okkupation nicht unterliegendem Staatsgebiet ab-
gegrenzt; so europäische Staaten in China, Rußland und England in Zentralasien. Bei Ab-
grenzung der Interessensphären geht in Ermangelung einer besonderen Vereinbarung die Pflicht
einer jeden Vertragspartei dahin, in der Interessensphäre der anderen Partei keinerlei poli-
tischen Einfluß auszuüben oder zu erwerben. Ausgeschlossen ist demnach außer der Okkupation
die Begründung einer Schutzherrschaft über einen Staat, Stamm oder eine Kolonialgesell-
schaft, die Konzessionierung einer Kolonialgesellschaft für das Gebiet, der Abschluß politischer
Verträge in bezug auf dasselbe, der Erwerb von Staatsdienstbarkeiten, von Eisenbahn--, Tele-
graphen= oder Bergbaukonzessionen für den Staat in der dem andern Teil zugestandenen
Interessensphäre. Ferner verpflichtet sich jeder Staat, den anderen in dessen Interessensphäre
beim Erwerb von Rechten und politischem Einfluß in keiner Weise zu hindern. Die Unter-
tanen können dagegen im Zweifel in der fremden Interessensphäre ihren erlaubten Inter-
essen wie sonst im fremden Staatsgebiet nachgehen und stehen insoweit unter dem Schutz
ihres Heimatstaats.
Mit der Abgrenzung der Interessensphären geht häufig die Schaffung einer neutralen
Zone oder die Anerkennung eines Pufferstaats Hand in Hand. Um die Möglichkeit von Reibungen
auszuschließen, werden die Interessensphären durch ein Gebiet getrennt, für welches beide Ver-
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