Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

548 Paul Heilborn. 
tragsparteien auf jeden politischen Einfluß verzichten: was einem jeden in der Interessensphäre 
des andern untersagt ist, müssen beide in der neutralen Zone unterlassen. Hierzu verpflichten 
sie sich einander wechselseitig. Dritte Staaten werden dadurch nicht gehindert, sich in der neutralen 
Zone festzusetzen. 
8§ 50. e) Der Meistbegünstigungsvertrag. 
Literatur. Cavaretta: La clausola della nazione pin favorita, Palermo 1906; Bor- 
chardt: Entwicklungsgeschichte der Meistbegünstigung im Handelsvertragssystem, Königsberg i. Pr. 
1909; Weber: System der deutschen Handelsverträge, Leipzig 1912; Rev. 25 313, 29 222, 34 66, 
159, 270, 46 657. 
Ein Staat verspricht dem anderen, ihm alle Vorteile zu gewähren, welche er jetzt oder 
in Zukunft irgendeinem dritten Staat gewähren sollte. Der Vertrag wird meist so geschlossen, 
daß sich beide Parteien wechselseitig die Rechte der meistbegünstigten Nation zugestehen. Regel- 
mäßig wird das Vertragsverhältnis zeitlich beschränkt oder der Aufkündigung unterworfen. 
Ausnahme Art. 11 des Frankfurter Friedens vom 10. Mai 1871 (Fleischmann 100). 
Innerhalb der Vertragsdauer genießt der meistbegünstigte Staat zwar alle Rechte, welche 
einem Dritten eingeräumt sind, aber auch nur solange, als sie dem Dritten zustehen. Die Stellung 
des Meistbegünstigten ist also stets eine ungewisse; das ist wesentlich. Gerießt der Dritte faktisch 
Vorteile, welche er nicht beanspruchen kann, so brauchen sie dem Meistbegünstigten wohl nicht 
eingeräumt zu werden. Doch werden dessen Rechte nicht dadurch hinfällig, daß man es ver- 
meidet, mit dem Dritten einen förmlichen, schriftlichen Vertrag zu schließen. 
Man unterscheidet unbedingte und bedingte Meistbegünstigung, je nachdem der Meist- 
begünstigte die dem Dritten gewährten Rechte ohne weiteres oder nur gegen die entsprechende 
Gegenleistung fordern kann (Standpunkt der Nordamerikanischen Union). Mehrfach wurde 
letzteres vereinbart. Grundsätzlich ist bei wechselseitigen Meistbegünstigungsverträgen im ent- 
gegengesetzten Sinne zu entscheiden. Der Meistbegünstigungsvertrag oewährt Rechte, legt aber 
keine Pflichten auf. Die vertragsmäßige Gegenleistung des Meistbegünstigten besteht darin, 
daß er seinerseits der anderen Vertragspartei die Meistbegünstigung gewährt. 
Die Wirkung des Meistbegünstigungsvertrages kann beschränkt werden: entweder bleiben 
dem Meistbegünstigten diejenigen Rechte versagt, welche etwa Staat A, B und C jetzt oder in 
Zukunft der anderen Vertragspartei gegenüber genießen sollten; oder er wird auf diejenigen 
Rechte beschränkt, welche die andere Partei den Staaten A, B und C einräumt; auf die von D 
erworbenen Rechte hat er dann keinen Anspruch (Art. 11 des Frankfurter Friedens); oder endlich 
die Meistbegünstigung wird inhaltlich beschränkt: gewisse Einfuhrartikel bleiben ausgenommen. 
Der Meistbegünstigungsvertrag wird meist als Klausel einem anderen Vertrag eingefügt, 
vor allem den Handelsverträgen, weiter den Schiffahrts-, Freundschafts- und Konsulawerträgen. 
Alsdann bezieht sich der Meistbegünstigungsvertrag nur auf die im ganzen Vertrag geregelten 
Angelegenheiten, also nur auf den Handels= bzw. Schiffahrts- usw. Verkehr. Aber auch selb- 
ständige und allgemeine Meistbegünstigungsverträge kommen hie und da vor: in ihnen sichem 
sich die Vertragsparteien in allen Beziehungen die Rechte der meistbegünstigten Nation zu. 
§ 51. 2. Forderungsrechte aus unerlaubten Handlungen. 
Literatur. Clunet: Offenses et actes hostiles commis par des particuliers contre un 
Etat étranger, Paris 1887; Wieße: Le droit international appliqus aux guerres civiles, Lausanne 
1898; Triepel 324 ff.; v. Lis zt 5 24; Solon Menos: L’affaire Lüders, Port au Prince 1898; 
Anzilotti: Teoria generale della responsabilita dello Stato 1, 
Florenz 1902; Rougier: Les guerres civiles et le droit des gens, Paris 1903; Neubecker: Zwang 
und Notstand in rechtsvergleichender Darstellung 1, Leipzig 1910; Cavaretta: Lo stato di necessita 
nel diritto internazionale, Palermo 1910; Cybichowski: Studien zum internationalen Recht, Berlin 
1912; BöhmsZ. 20 447, 22 209; Rev. 1 417, 7 711, 16 96, 20 222, 22 360, 28 452, 29 188, 196, 
31 464, 43 233; Rev. Gén. 1 171, 476, 2 339, 623, 628, 3 179, 599, 4 225, 403, 416, 735, 794, 5 57, 
103, 480, 518, 11 362, 13 5, 285, 14 636, 17 288, 408, 19 268; Rivista 6 460; Annuaire de I’Institut 
de droit intern. 17 96, 18 233; Goldschmidt: Der Notstand ein Schuldproblem, Wien 1913. 
I. Unerlaubte Handlung im Sinne des Völkerrechts ist die schuldhafte und rechtswidrige 
Verletzung eines Staats durch einen anderen. Die einfache Vertragswidrigkeit kann nicht minder
	        
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