Bölkerrecht. 561
sie am Kriege nicht teilnehmen, sind sie aber keine Feinde im technischen Sinne. Anders die
englisch-amerikanische Auffassung. Die Haager Landkriegsordnung Art. 23 h verbietet aber
ausdrücklich „die Aufhebung oder zeitweilige Außerkraftsetzung der Rechte und Forderungen
von Angehörigen der Gegenpartei oder die Ausschließung ihrer Klagbarkeit" 1.
Soweit das Privateigentum der Wegnahme unterworfen ist, beginnt die Befugnis hierzu
erst mit dem Eintritt des Kriegsrechts. Seit dem Krimkrieg werden indessen den feindlichen
Kauffahrteischiffen regelmäßig einige Wochen Frist gewährt, um sich in Sicherheit zu bringen.
Das 60° Haager Abkommen verbietet die Einziehung eines feindlichen Kauffahrteischiffs, welches
sich bei Beginn des Krieges in einem Hafen des Gegners befindet, gestattet aber die Beschlag-
nahme ohne, die Anforderung gegen Entschädigung. Ein feindliches Kauffahrteischiff, welches
den letzten Abfahrtshafen vor Beginn des Krieges verlassen hat und in Unkenntnis der Feind-
seligkeiten auf See betroffen wird, soll entweder gleicher Behandlung unterliegen oder gegen
Entschädigung zerstört werden dürfen. Letztere Entschädigungspflicht wurde deutscherseits
nicht anerkannt, weil Beschlagnahme oder Anforderung nur den Staaten zugute kommen könne,
welche in allen Teilen der Welt Stützpunkte zur Unterbringung der Schiffe haben. Unter das
Abkommen fallen nicht Schiffe, deren Bau ersehen läßt, daß sie zur Umwandlung in Kriegs-
schiffe bestimmt sind. Für die feindliche Ware auf dem Schiff gelten die nämlichen Regeln wie
für das Schiff selbst. — Zum Zweck der Geheimhaltung von Nachrichten ist die vorübergehende
Zurückhaltung feindlicher und neutraler Schiffe im Hafen statthaft: arrst de prince oder polizei-
liches Embargo, den Neutralen gegenüber aus dem Gesichtspunkte des Notstands zu recht-
fertigen. «
Der Einfluß des Krieges auf obligatorische Verbindlichkeiten, insbesondere auf solche aus
Verträgen, wurde § 45 IV a besprochen.
III. Die Kriegführung.
8 63. 1. Aktiver und passiver Kriegstand.
Literatur. Lieber: Guerrilla parties, Neuyork 1862; Grenander: Sur les conditions,
nécessaires selon le droit des gens, Faur Avoir en guerre le droit d'ötre considéré et traité Comme
soldat, Paris 1882; Catellani: Condizioni ed effetti giuridici dello stato di guerra, Venedig 1906;
Higgins: War and the private citizen, London 1912; Wilms: Die Umwandlung von Kauffahrtei-
schiffen inm Kriegsschiffe, Tübingen 1912; 8 BölkR. 6 19; Rivista 1 525.
I. Kriegführende Personen sind die Staaten. Ihre Organe zur Kriegführung sind die
Truppen. Die Untertanen als solche sind keine Feinde mehr, wenn sie nicht zum Heer gehören.
A. Die Angehörigen des Heeres haben aktiven Kriegstand. Sie sind dazu berufen, den
Widerstand des Gegners mit den im Krieg zulässigen Mitteln zu brechen; sie sind aber auch
dem kriegerischen Angriff ausgesetzt. Man unterscheidet:
1. die Kombattanten; sie haben persönlich zu kämpfen;
2. die Nicht-Kombattanten; sie gehören zum Heer, haben aber nicht zu kämpfen, sondern
lediglich den Verwaltungs-, Gerichtsdienst usw. zu versehen: Intendantur-, Gerichts- und
Sanitätspersonal, Feldgeistliche. Zu den Nicht-Kombattanten gehören femer die dienstlich
beim Heer weilenden Zivilbeamten: Minister des Auswärtigen, Post= und Telegraphenbeamte.
Gleichgestellt werden die zum Heer zugelassenen Armeelieferanten, Marketender und Zeitungs-
korrespondenten (Landkriegsordnung 13). Weil sie selbst nicht kämpfen, dürfen die Nicht-
Kombattanten absichtlich weder getötet noch verwundet werden. Weil sie aber zum Heer
gehören und einen Bestandteil der zum Schaden des Feindes aufgestellten Kriegsmacht ihres
Staats bilden, sind sie der Kriegsgefangenschaft ausgesetzt (ibid. 3). Nur die Feldgeistlichen
und das Sanitätspersonal sind nach der Genfer Konvention und dem an sie sich anschließenden
Haager Abkommen hieron befreit (§ 65 III).
Über den Versuch, die englische Praxis diesem klaren Wortlaut gegenüber aufrecht zu
erhalten vgl. Oppenheim: Die Zukunft des Bölkerrechts (Festschrift für Binding 1), 1911; Z. V6
1 353, 5 384, 6 213; Böhms Z. 23 21, 118; Rev. 45 197; Rev. Gén. 18 249, 19 120.
Cnzyklopädie der Rechtswißenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band V. 36