Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

562 Paul Heilborn. 
B. Die nicht zum Heer gehörige Bevölkerung des feindlichen Landes hat passiven Krieg- 
stand: sie ist nicht dazu berufen, dem Feinde Widerstand entgegenzusetzen, und sie darf es nicht; 
sie muß sich friedlich verhalten. Weil sie keinen Widerstand leistet, darf sie vom Feinde auch 
nicht angegriffen werden. Sie muß aber die mit dem Krieg untrennbar verknüpften Lasten 
tragen: Einquartierung, Requisitionen und Kontributionen, Verwüstung der Felder und Häuser 
in der Schlacht. 
II. Ass kriegführende Personen können allein die Staaten Organe zur Kriegführung 
bestellen. Nur durch staatlichen Auftrag wird der einzelne Mensch legitimer Kombattant, d. h. 
zur Vomahme von Kriegshandlungen ermächtigt. Dieser Auftrag kann ihm individuell oder 
allgemein, z. B. durch Berufung bestimmter Bevölkerungsklassen, — er kann auch Ausländern 
erteilt werden. Einzelne Staaten verbieten ihren Untertanen den Eintritt in die Armee einer 
fremden, kriegführenden Macht; vgl. die britische foreign enlistment act 1870 f§4. Zum Nach- 
weis des staatlichen Auftrags muß der einzelne Kombattant Uniform oder doch ein bestimmtes, 
aus der Ferne erkennbares Abzeichen tragen. Hieran erkennt der Gegner, daß er einen Feind 
vor sich hat, den er bekämpfen darf, von dem er angegriffen werden darf. Zu den legitimen 
Kombattanten gehören demnach alle Angehörigen der regulären Armee, der festen taktischen 
Verbände des Staats, ohne Unterschied zwischen Land- und Seestreitkräften. Auch die irregu- 
lären Truppen — Milizen, Freiwilligenkorps, Besatzung von Kaperschiffen — können legitime 
Kombattanten sein. Für Milizen und Freiwilligenkorps im Landkrieg erfordert Landkriegs- 
ordnung 1: 1. daß jemand an ihrer Spitze steht, der für seine Untergebenen verantwortlich ist; 
2. daß sie ein bestimmtes, aus der Feme erkennbares Abzeichen tragen; 3. daß sie die Waffen 
offen führen und 4. bei ihren Unternehmungen die Kriegsgesetze und gebräuche beobachten. 
Kaperschiffe waren von Privatpersonen zum Seekrieg ausgerüstete Schiffe. Die staat- 
liche Ermächtigung wurde in dem für eine bestimmte Person ausgestellten Kaperbrief erteilt. 
Die Kaperei wurde für Privatrechnung, d. h. in Bereicherungsabsicht betrieben und „artete 
nicht selten in wirklichen Seeraub aus; Ubergriffe, unrechtmäßige Plünderungen sind stets an 
der Tagesordnung gewesen“ (Perels). Die von der nordamerikanischen Union allerdings noch 
nicht angenommene Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. April 1856 hat deshalb die Kaperei 
verboten. Von einer Ausnutzung der brauchbaren Kauffahrteischiffe zu Kriegszwecken wollten 
die Staaten darum aber nicht Abstand nehmen. Das 70 Haager Abkommen gestattet die Um- 
wandlung eines Kauffahrteischiffs in ein Kriegsschiff, sucht aber — namentlich im Interesse 
der Neutralen — Garantien gegen einen Rückfall in die Kaperei zu schaffen: Einreihung in die 
Kriegsmarine, militärische Disziplin, Unterstellung unter direkten Befehl und Verantwortlichkeit 
der Kriegsmacht usw. Uüber die Zulässigkeit der Umwandlung auf offenem Meer wurde keine 
Einigung erzielt: die „Smolensk“ und „Petersburg“ im ostasiatischen Kriege. 
Für die Handlungen der von ihm zur Kriegführung ermächtigten Personen ist der Staat 
verantwortlich (Landkriegsabkommen 3). 
III. Für den Fall der Massenerhebung bestimmt Landkriegsordnung 2: „Die Bevölkerung 
eines nicht besetzten Gebiets, die beim Herannahen des Feindes aus eigenem Antrieb 
zu den Waffen greift, um die eindringenden Truppen zu bekämpfen, ohne Zeit gehabt zu haben, 
sich nach Art. 1 zu organisieren, wird als kriegführend betrachtet, wenn sie die Waffen offen 
führt und die Gesetze und Gebreäuche des Krieges beobachtet“. Staatlicher Auftrag ist hier 
also nicht erforderlich. In den vom Feind bereits besetzten Gebieten ist die Massenerhebung 
verboten. 
2. Die Kriegsmittel. 
s 64. a) Im allgemeinen. 
Literatur. Oppenheim: Die Zukunft des Völkerrechts a. a. O. 194/5; Cybichowski: 
Studien zum internationalen Recht, Berlin 1912; vgl. zu §s 51. 
Kriegsmittel sind die Maßnahmen zur Besiegung des Gegners, speziell die zur über- 
windung seiner Widerstandskräfte — seiner Angriffs- und Verteidigungsmittel — dienenden 
Maßnahmen (Lueder). Als solche Kriegsmittel kommen Gewalt und List in Betracht. Die 
Kriegführenden dürfen sie anwenden, soweit nicht ein besonderes Verbot entgegensteht; sie
	        
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