Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

564 Paul Heilborn. 
auf offenem Meer kann um so weniger als endgültig anerkannt betrachtet werden, als das 
Abkommen mit Rücksicht auf die Unfertigkeit der Materie nur auf sieben Jahre in Kraft gesetzt 
ist. Der ostasiatische Krieg hat die große Bedeutung der Frage gezeigt. 
II. Die Kriegsgefangenschaft (Landkriegsordnung 4/20). Sie ist eine 
Sicherungsmaßregel zur Schwächung der feindlichen Streitkräfte. 
A. Gewisse Personen müssen eventuell zu Gefangenen gemacht, d. h. sie dürfen keiner 
härteren Behandlung unterzogen werden, wenn sie in Feindesgewalt geraten: das Oberhaupt 
des feindlichen Staats, die Kombattanten, die Nicht-Kombattanten und die ihnen gleichgestellten 
Personen (§63 1 2) mit Ausnahme der Feldgeistlichen und des Sanitätspersonals (vgl. unten III). 
Zu Kriegsgefangenen dürfen femer gemacht werden: 
1. die Mannschaften an Bord der genommenen feindlichen Kauffahrteischiffe, sofern sie 
Untertanen des feindlichen Staats oder Offiziere sind. ÜUber Entlassung auf Ehrenwort (vgl. 
zu C) 11° Haager Abkommen 5//8.; 
2. Zivilbeamte des feindlichen Staats, sofern sie eine die Kriegführung unterstützende 
Tätigkeit entfalten, auch wenn sie sich nicht beim Heer aufhalten; 
3. Privatpersonen nur zum Zweck der Geheimhaltung von Operationen und Nachrichten 
und nur so lange, als dieser Zweck es erfordert. 
Zu Kriegsgefangenen werden nicht gemacht, sondern strafrechtlich verfolgt: 
1. Freibeuter und Marodeure. Freibeuter sind Personen, welche Kriegshandlungen vor- 
nehmen, ohne zu den legitimen Kombattanten zu gehören. 
2. Spione (Landkriegsordnung 29/31). 
B. Die Kriegsgefangenen unterstehen der Staatsgewalt des feindlichen Staats und den 
Gesetzen, Vorschriften und Befehlen, die in dessen Heer gelten. Sie werden an einem ihm 
genehmen Ort intemiert mit der Verpflichtung, sich nicht über eine bestimmte Grenze hinaus 
zu entfemen. Eine Einschließung ist nur zulässig, wenn dringende Rücksichten der Sichecheit 
sie gebieten. Die Flucht kann mit Gewalt gehindert, aber nur disziplinarisch, nicht gerichtlich 
bestraft werden; auch die disziplinarische Bestrafung ist nur zulässig, wenn der Entwichene er- 
griffen wird, bevor er seine Truppen wieder erreicht oder das von den ihm feindlichen Truppen 
besetzte Gebiet verlassen hat. 
Die persönliche Rechts- und Geschäftsfähigkeit des Kriegsgefangenen erleidet keine Min- 
derung. Alles, was ihm persönlich gehört, verbleibt sein Eigentum, ausgenommen Waffen, 
Pferde und Schriftstücke militärischen Inhalts. 
Der Unterhalt liegt dem Staat ob, in dessen Gewalt der Gefangene sich befindet. Er 
kann aber Unteroffiziere und Gemeine zu Arbeiten verwenden, welche in keiner Beziehung zu 
den Kriegsuntemehmungen stehen. In diesem Fall sind die Unterhaltskosten von dem Ver- 
dienst in Abzug zu bringen. Gleiches gilt, wenn die Gefangenen für andere Verwaltungen 
oder für Privatpersonen Arbeiten verrichten. 
C. Nach Beendigung des Krieges sind die Gefangenen alsbald zu entlassen; die straf- 
gerichtlich Verfolgten können bis zur Beendigung des Verfahrens bzw. der Strafvollstreckung 
zurückbehalten werden. Während des Krieges werden Gefangene häufig auf Ehrenwort ent- 
lassen. Sie dürfen dann gegen den Staat, der sie auf Ehrenwort entlassen hat, und gegen dessen 
Verbündete in diesem Kriege die Waffen nicht wieder tragen. Die Übernahme dieser Ver- 
pflichtung kann nicht gefordert werden. Die Freilassung auf Ehrenwort soll auch nur geschehen, 
wenn die Gesetze des Staats, dem der freizulassende Kombattant angehört, die Übemahme 
der Verpflichtung gestatten. Wer der übernommenen Verpflichtung zuwiderhandelt, verliert 
für den Fall, daß er wieder ergriffen wird, das Recht auf Behandlung als Kriegsgefangener 
und kann bestraft werden. 
III. Der Schutz der Verwundeten und Kranken. 
Genfer Konvention v. 22. August 1864, neue Fassung v. 6. Juli 1906; Materialien bei 
Martens NBRG. 3 S. 2 323—653. — 10° Haager Abkommen. — Haager Abkommen v. 21. Dez. 
1904 über die Lazarettschiffe. — Lueder: Die Genfer Konvention, Er angen 1876; Meurer: Die 
Genfer Konvention und ihre Reform, München 1906; Fauchille u. Politis: Manuel de la Croix- 
Rouge, Paris 1908; Z VölkR. 1 521; Rev. Gén. 6 291, 13 629, 19 229.
	        
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