568 Paul Heilborn.
nahme der Kriegskonterbande # 73) sind dagegen frei: a) die feindliche Ware auf neutralem
Schiff, b) die neutrale Ware auf feindlichem Schiff (Satz 2 und 3 der Pariser Seerechtsdeklaration
vom 16. April 1856, Fleischmann 57), c) Briefpostsendungen auf feindlichem wie neutralem
Schiff (11° Haager Abkommen 1, 2).
Die dem Beuterecht unterworfenen feindlichen Staatsschiffe gehen in das Eigentum des
Nehmestaats über, sobald sie nach der Wegnahme in Sicherheit gebracht sind; das Eigentum
an Privatschiffen und deren Ladung wird dagegen nur durch Richterspruch übertragen.
In Ausübung des Prisenrechts dürfen die Streitkräfte der Kriegführenden die Nationalität
und Ladung jedes Kauffahrteischiffs auf dem Seekriegsfeld feststellen. Es geschieht mittels
Anhaltung und Durchsuchung. Sucht das Schiff zu entkommen, so kann es mit Gewalt zum
Anhalten gebracht werden. Die Beschlagnahme findet statt, wenn mit Gewalt Widerstand
geleistet wurde, fermer wenn sich bei Prüfung der Papiere ergibt, daß diese gefälscht oder un-
vollständig sind, oder daß das Schiff doppelte Papiere verschiedenen Inhalts hat, oder daß es
ein scindliches ist oder Konterbande (§ 73) mit sich führt. Das beschlagnahmte Schiff ist sodann
aufzubringen, d. h. in einen Hafen des Nehmestaats oder seines Verbündeten zu bringen und
dort vor ein Prisengericht zu stellen. Nur im Notstand darf die Aufbringung durch Verkauf
oder Zerstörung des Schiffs ersetzt werden.
Die Prisengerichte sind von den kriegführenden Staaten eingesetzte Gerichte. Sie haben
über die Rechtmäßigkeit der Wegnahme fremder Schiffe und deren Ladung zu entscheiden: ob
Schiff und Ladung bzw. eins von beiden als gute Prise verfallen, oder ob sie freizugeben sind.
Die Entscheidung wird also von dem Gericht des Nehmestaats oder seines Verbündeten gefällt.
Das Verfahren ist dem feindlichen Interessenten gegenüber (vgl. aber Lond. Erkl. 59) ein
Reklameprozeß, d. h. „soweit die Unrechtmäßigkeit der Aufbringung nicht Mar zutage liegt, haben
die Interessenten, deren Eigentum auf dem Spiel steht, dieselbe zu beweisen“. „Die als ver-
dächtig aufgebrachten Schiffe werden für gute Prise erklärt, sobald der gegen sie vocliegende
Verdacht nicht beseitigt wird“" (Perels). Meist ist Berufung an ein höheres Gericht zugelassen.
Gegen die Entscheidung des nationalen Gerichts wollte das nicht ratifizierte 12° Haager Ab-
kommen 4 den feindlichen Privatpersonen in engen Grenzen Rekurs an den geplanten inter-
nationalen Prisengerichtshof gestatten. Mit der Rechtskraft des Urteils wird die Prise Eigentum
des Nehmestaats. Ob er sie oder einen Wertanteil dem Kaptor überlassen will, steht in seinem
Belieben.
8 67. 3. Die Besetzung feindlichen Gebiets und ihre Wirkungen.
Landkriegsordnung 42/56. — Literatur. Loening: Die Verwaltung des General-
gouvernements im Elsaß, Straßburg 1874; Féraub-Girand: Occupation militaire, recours à raison
es dommages causés par la guerre, Paris 1881; Charleville: La validité juridique des actes de
Toccupant en pays occupé, Paris 1902; Sichel: Die kriegerische Besetzung feindlichen Staats-
brbiets, Diss. Frankfurt a. M. 1905; Nowacki, vgl. zu § 66; Rev. 38 442; Rev. Gön. 16 134, 18 22;
Ivizta 4 250, 257, 5 181, 373.
Feindliches Gebiet ist besetzt, wenn es in die Gewalt der eindringenden Truppen des
Gegners gebracht ist. Soweit seine Gewalt reicht und tatsächlich ausgeübt wird, kann der
Gegner die Regierung des besetzten feindlichen Gebiets übernehmen: occupatio bellica. Er
erwirbt keine Gebietshoheit (Tripolis 1912; das Annexionsdekret vom 5. Nov. 1911 (Strupp,
Erg.-H. 90) wurde erst nach dem Friedensschluß anerkannt, Böhms Z. 23 1), sondern nur den
Besitz und mit ihm eine Reihe von Regierungsrechten und -pflichten; ihr Fortbestand ist an den
des Besitzes geknüpft.
Der Okkupant übemimmt die Regierung im Interesse seiner Kriegführung. Diese selbst
soll im besetzten Gebiet unterbleiben; es soll ihm wohl als Stützpunkt bei seinen Operationen
dienen, der Kriegführung des Gegners aber keine Hilfsquellen mehr bieten. Die Truppen des
Okkupanten sollen im besetzten Gebiet Sicherheit genießen. Soweit diese Zwecke es bedingen,
überkommt der Okkupant die Rechte einer Staatsgewalt; anderseits hat er für Ruhe und Ord-
nung zu sorgen, den friedlichen Bewohnem des Gebiets Rechtsschutz und Sicherheit zu ge-
währen.