Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Völlerrecht. 571 
materials. Militärische Befehlshaber können nur die militärische Gewalt, nicht die Gebiets- 
hoheit übertragen (Landkriegsordnung 35, Rev. Gén. 14 601). 
Der Waffenstillstand (ibid. 36/41) ist ein Vertrag über vorübergehende oder vorläufige 
Einstellung der Feindseligkeiten. Er wird als Waffenruhe bezeichnet, wenn er für kurze Frist 
zu einem bestimmten, bald erreichten Zweck, wie Bestattung der Gefallenen, geschlossen wird. 
E kann ein allgemeiner oder örtlich begrenzter sein. Der Waffenstillstand verpflichtet begrifflich 
zur Einstellung der Feindseligkeiten, d. h. zur Unterlassung von Angriffshandlungen (Ullmann). 
Es ist Sache der Parteien, im einzelnen festzusetzen, welche Beziehungen sie auf dem Kriegs- 
schauplatz untereinander und mit der Bevölkerung unterhalten können. Der Waffenstillstand 
beginnt mit dem festgesetzten Termin, eventuell mit dem Moment des Abschlusses. Die einzelnen 
Trppenkörper sind hierwon zu benachrichtigen und haben erst von erlangter Kenntnis an die 
Feindseligkeiten einzustellen. Der Waffenstillstand endet mit dem festgesetzten Termin, eventuell 
nach Aufkündigung. Jede schwere Verletzung des Waffenstillstands durch eine der Par- 
teien gibt der anderen das Recht, ihn „auch vorzeitig“ zu kündigen, in dringenden Fällen 
sogar das Recht, „die Feindseligkeiten sofort wieder aufzunehmen"“. Verletzung der Bedingungen 
durch einzelne, zur Kündigung nicht zuständige Personen ist kein Bruch des Waffenstillstands, 
sonderm gibt nur Anspruch auf Bestrafung des Schuldigen und Schadensersatz. 
IV. Rechte der kriegführenden und der neutralen Staaten 
gegeneinander. 
5° und 13° Haager Abkommen (hier zit. Abk. 1 bzw. II); Londoner Seekriegsrechtserklärung. 
Vgl. die Literatur zu #s 60; Einicke: Rechte und Pflichten der neutralen Mächte im Seekrieg, 
Tübingen 1912; ArchOff-R. 30 204; Rev. 4 472, 45 173. — Scholz: Drahtlose Telegraphie und 
Neutralität, Berlin 1905; Meili: Die drahtlose Telegraphie im intern. Recht und Bölkerrecht, 
Zürich 1908; Rev. 38 586; Rev. Gén. 13 58, 16 76, 261. 
§ 70. 1. Im allgemeinen. 
Wie im § 60 ausgeführt wurde, muß der neutrale Staat sich jeder Handlung enthalten, 
welche nach Völkerrecht als Teilnahme am Kriege gilt, darf anderseits der Kriegführende ihn 
nicht in den Krieg verwickeln, seine Operationen gegen ihn nicht richten. Das Völkerrecht unter- 
scheidet scharf zwischen Handlungen, welche der neutrale Staat selbst nicht vormehmen darf, und 
solchen, welche er hindern muß. Manche ihm verbotene Handlungen dürfen seine Untertanen 
vomehmen, ohne daß er dafür verantwortlich gemacht werden könnte. Der neutrale Staat 
darf den Kriegführenden weder Truppen noch Waffen, Kriegsschiffe, Munition, Pferde, Lebens- 
mittel oder Geld liefern (Abk. II 6). Seinen Untertanen ist dies aber nicht ohne weiteres unter- 
sagt (Abk. I, II 7). Schlechtweg verboten ist nur die staatliche Unterstützung; als solche gilt die 
Unterstützung durch unmittelbare Handlung des neutralen Staats und durch Preisgabe seines 
Gebiets zu kriegerischem Zweck. Das Gebiet ist vom Staat untrennbar; die Untertanen sind 
es nicht. Auf ihre Gefahr hin können sie die Kriegführenden unterstützen, indem sie in ihre 
Armeen eintreten oder ihnen durch den Handel Vorteile verschaffen (Abk. 1 6, 8). üÜber 
den neutralen Handel vgl. ös 72/5. Der neutrale Staat würde seine Pflichten nur dann 
verletzen, wenn er seinen Angehörigen die Begünstigung des einen Kriegführenden gestatten, 
die des anderen untersagen wollte (Abk. I, II 9. — Zulassung der Kriegsanleihen zu den 
Börsen). 
Verletzt der neutrale Staat schuldhafterweise seine Verbindlichkeiten, so ist er haftpflichtig 
nach Maßgabe der allgemeinen Gundsätze (5 51); er kann aber auch sofort als Feind behandelt 
werden. Umgekehrt darf er eine Verletzung seiner Rechte keinem der Kriegführenden gestatten; 
denn auch das wäre Begünstigung. Er muf also seinerseits auf Wiederherstellung des früheren 
Zustands und — je nach Lage des Falls — auf Schadensersatz bzw. Genugtuung bestehen, wenn 
er nicht dem anderen Kriegführenden verantwortlich werden will. Bei Verletzung seiner Rechte 
kann er aber auch seinerseits die Neutralität aufgeben und am Krieg teilnehmen (Abk. I 10, 
II 26).
	        
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