Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

572 Paul Heilborn. 
8 71. 2. Das neutrale Gebiet. 
Literatur. Heilborn: Rechte und Pflichten der neutralen Staaten in bezug auf die 
während des Krieges auf ihr Gebiet übertretenden Angehörigen einer Armee und das dorthin 
gebrachte Kriegsmaterial der kriegführenden Parteien, Berlin 1888; Gabarit: Questions de neu- 
tralité maritime soulevées par la guerre russo-japonaise, Paris 1606; Curtius: Des navires de 
guerre belligérants dans les eaux neutres, Bordeaux 1907; Pilidi: Le sombustible en temps de 
guerre. Paris 1909; ArchOffR. 20 157; Rev. Gén. 16 289. 660, 19 40. 
Das neutrale Gebiet darf in keiner Weise zu Kriegszwecken dienen. In ihm ist der neutrale 
Staat Herr; er braucht deshalb eine solche Benutzung nicht zu dulden. Er darf sie aber auch nicht 
gestatten, muß sie hindern (Abk. II 25); sonst würde er sich einer Beistandsleistung schuldig machen, 
seine Neutralität verletzen. Neutralitätswidrige Handlungen von Privatpersonen muß der 
neutrale Staat anderseits nur strafen, wenn sie auf seinem Gebiet begangen wurden (Abk. 1 5). 
Hieraus folgt: 
I. Die kriegführenden Parteien dürfen auf neutralem Gebiet keine Kriegsrüstungen vor- 
nehmen, militärische Operationen nicht vorbereiten. Daselbst ist demnach verboten: 
a) die Bildung von Kombattanten-Korps, von Freischaren und Flibustierexpeditionen, 
die Eröffnung von Werbestellen (Abk. I 4). Freilich braucht der neutrale Staat den Bewohnern 
seines Landes den Zuzug zu den kriegführenden Armeen nicht zu untersagen (Abk. 1 16/8); 
nur den Angehörigen seines eigenen Heeres darf er eine Beteiligung nicht erlauben; 
b) die gänzliche oder teilweise Ausrüstung oder Bewaffnung eines zum Kreuzen oder 
zur Teilnahme an feindlichen Unternehmungen bestimmten Schiffs für eine kriegführende 
Partei, ingleichen das Auslaufen eines solchen Schiffs aus neutralem Gebiet, wenn es dort 
zu kriegerischer Verwendung ganz oder teilweise hergerichtet ist. Der neutrale Staat hat die 
ihm zur Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um jede Zuwiderhandlung zu verhindern: 
die drei Regeln von Washington, Vertrag vom 8. Mai 1871 Art. 6 (Fleischmann 96), Alabama- 
streit. Abk. I1 8. 
II. Das neutrale Land- und Wassergebiet darf nicht zum Stützpunkt für militärische 
Operationen dienen (zweite Regel von Washington, Abk. II 5); den Kriegführenden ist deshalb 
die Errichtung funkentelegraphischer usw. Stationen verboten, nicht aber die fermere Benutzung 
der dem öffentlichen Verkehr übergebenen Anlagen (Abk. 1 3, 8, II 5). Auf neutralem Gebiet 
dürfen ferner Kriegshandlungen nicht vorgenommen werden. Verboten sind demnach (Abk. 
II 2) Schlachten auf neutralem Gebiet, die Verfolgung eines Schiffs in neutralen Gewässem, 
die Wegnahme von Schiffen und Gütem daselbst. Ist ein Akt der letzten Art vorgenommen, 
so muß der neutrale Staat die Prise befreien bzw. sich ausantworten lassen und sie seinerseits 
dem Beschädigten überliesem (Abk. II 3). 
III. Das neutrale Landgebiet darf von Angehörigen der kriegführenden Armeen auch 
nicht zum Durchmarsch benutzt werden, mögen sie einzeln oder in Massen kommen. (Vgl. 5 60 II.) 
Jede Benutzung des neutralen Gebiets ist ein militärischer Vorteil und deshalb unzulässig. 
Verboten ist aus dem nämlichen Grunde auch der Transport von Munitions- und Verpflegungs- 
kolonnen durch neutrales Gebiet. Der neutrale Staat ist indessen nicht nur zur Zurückweisung 
berechtigt, sondern er darf Material wie Menschen auch vor Feindesgewalt schützen und auf- 
nehmen. Dann muß er aber dafür Sorge tragen, daß sie im gegenwärtigen Kriege nicht mehr 
Verwendung finden. Das Kriegsmaterial ist mit Beschlag zu belegen, die Truppen sind mög- 
lichst weit vom Kriegsschauplatz zu verwahren, so daß sie das neutrale Gebiet während der 
Dauer des Krieges nicht wieder verlassen könren. Der neutrale Staat kann sie in Lagern ver- 
wahren, sie auch in Festungen oder anderen geeigneten Orten einschließen. Er hat für Er- 
nährung, Bekleidung und Krankenpflege nach Maßgabe der Genfer Konvention Sorge zu 
tragen. Die Kosten der Verwahrung sind ihm nach dem Friedensschluß von dem Staat zu 
ersetzen, dessen Truppen er verwahrt hat. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen findet statt: 
1. zugunsten der entwichenen Kriegsgefangenen und der von den Ubergetretenen mitgebrachten 
Kriegsgefangenen; sie werden mit Betreten des neutralen Gebiets frei, denn der neutrale Staat 
darf sie nicht für den Gegner bewachen; 2. zugunsten der Verwundeten und Kranken: der 
neutrale Staat kann ihren Durchzug durch sein Gebict gestatten, unter dem Vorbehalt, daß
	        
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