Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

58 F. Wachenfeld. 
allein strafbar. Es kommt nicht darauf an, daß der Täter die Absicht hatte, sich das Wild an- 
zueignen. Demnach ist der Ausdruck „Wilddieberei“ irreführend und jedenfalls dem positiven 
Recht gegenüber nicht entsprechend. 
Gleiche Grundsätze gelten von dem unberechtigten Fischen und Krebsen (ss 296, 296 a, 
370 Nr. 4 StGB.). 
2. Die Verbrechen gegen Individualrechte sind vor allem die Delikte, 
mit welchen das Urheber- und Erfinderrecht verletzt wird, wie unbefugter Nachdruck, Ver- 
breitung von Nachdruckexemplaren, unbefugte Aufführung von musikalischen oder dramatischen 
Werken (Ges. betr. das Urheberrecht vom 19. Juni 1901), unbefugte Nachbildung und Ver- 
breitung von Photographien, Modellen usw. (Ges. vom 9. Januar 1907), unbefugte Benutzung 
einer patentierten oder in die Gebrauchsmusterrolle eingetragenen Erfindung (Patentgesetz 
vom 7. April 1891, Musterschutzgesetz vom 1. Juni 1891), unbefugter Gebrauch von Fabrik- 
und Warenzeichen (Warenbezeichnungsgesetz vom 12. Mai 1894) sowie die Vergehungen gegen 
das Verlagsrecht (Ges. vom 19. Juni 1901). 
Gleichfalls ein Delikt gegen ein Individualrecht ist der unlautere Wettbewerb, d. i. die 
mit unlauteren Mitteln durch Kundenfang bewirkte ökonomische Schädigung eines Geschäfts- 
mannes (Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vom 7. Juni 1909). Nur zum Teil 
geht in diesem Delikt der Verrat von Geschäftsgeheimnissen (§ 9 des angeführten Gesetzes vom 
27. Mai 1896) auf. Der Verrat von Betriebsgeheimnissen ist nach verschiedenen Gesetzen 
strafbar (z. B. nach § 150, 151 Gewerbeunfallversicherungsgesetz vom 5. Juli 1900, 5 145 a 
der Gewerbeordnung vom 30. Juni 1900, 5 14 Ges. vom 24. Mai 1901, 5 27 des Weingesetzes 
vom 7. April 1909). 
Zweiter Abschnitt: Verbrechen gegen Rechtsgüter der 
Gesellschaft. 
Die Gesellschaft beruht auf Familien. Sie verlangt Schutz ihrer Sitten und ihrer 
Religion, ungestörte Betätigung und Sicherung ihres Verkehrs durch Garantien für die Wahr- 
heit der Verkehrsbeglaubigungsmittel. Demgemäß ergeben sich zunächst fünf Verbrechens- 
gruppen: 1. Verbrechen gegen die Familie, 2. Sittlichkeitsdelikte, 3. Religionsverbrechen, 
4. Friedensstörungen, 5. Verbrechen gegen Treu und Glauben im Verkehr. Eine sechste Gruppe 
bilden die gemeingefährlichen Verbrechen als Delikte gegen Rechtsgüter unbegrenzter Kreise 
von Personen. 
8§ 33. Verbrechen gegen die Familie. 
I. Personenstandsdelikte (75 169 StGB.). Die Zugehörigkeit einer Person 
zu einer bestimmten Familie nennt man Personenstand. Dieser ist kein Rechtsgut des ein- 
zelnen und von dessen Existenz unabhängig. Er umfaßt darum auch das rechtliche Verhältnis, 
in dem ein Verstorbener zu einer Familie stand. Ein totgeborenes Kind hat aber nie Persön- 
lichkeit besessen und nie in einem rechtlichen Verhältnis zu einer Familie gestanden. Deshalb 
wird man ihm gegenüber einen Personenstand und die Annahme eines Delikts verneinen müssen. 
Eine Verletzung des Personenstandes ist durch dessen Veränderung und Unterdrückung, 
unsbesondere durch Kindesunterschiebung oder verwechselung, zu begehen möglich. An sich 
ist es gleichgültig, ob sich die Handlungen gegen den eigenen oder einen fremden Personen- 
stand richten. Das positive Recht hat aber auf eine Bestrafung in ersterer Beziehung verzichtet. 
Wer sich einen falschen Namen beilegt, begeht noch nichts Strafbares, und wer den Namen 
einer anderen Person annimmt, nur dann, wenn er den Anschein erwecken will, als sei er gerade 
diese andere Person. Hatte die Täuschung keinen Erfolg, so liegt ein — allerdings strafbarer — 
Versuch vor. 
Das Delikt ist qualifiziert, wenn es in gewinnsüchtiger Absicht verübt wurde. 
II. Ehedelikte. Die Ehe als Grundlage der Familie genießt einen besonderen Schutz, 
der sich sowohl auf die Eingehung als auch auf den Bestand derselben erstreckt.
	        
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