Strafrecht. 59
Nach ersterer Richtung ist strafbar die arglistige Eheerschleichung durch Ver-
schweigung eines Ehehindernisses oder durch Täuschung (5 170 St GB.).
Der Bestand der Ehe wird in formeller und in materieller Beziehung geschützt, in formeller
durch Bestrafung der Bigamie (5 171 StGBB.), in materieller durch Bestrafung des Ehe-
bruchs (§ 172 StE#B.).
Die Schließung der Doppelehe geschieht durch standesamtlichen Akt und ist darum ohne
Rücksicht auf den Vollzug der copula carnalis strafbar. Anders beim Ehebruch, dessen Straf-
würdigkeit gerade in der geschlechtlichen Verbindung mit dem rechtmäßigen Gatten einer fremden
Ehe besteht. Die Rechtmäßigkeit fehlt sowohl dem Gatten einer materiell nichtigen als auch
dem einer formell ungültigen Ehe. In beiden Fällen ist strafbarer Ehebruch unmöglich. Der
Ehebruch wird nicht nur an dem Ehegatten, welcher die eigene Ehe verletzt, sondern auch an
dem Dritten, welcher in eine fremde Ehe eingreift, geahndet. Vollendet ist er bereits mit der
geschlechtlichen Vereinigung. Doch ist seine Strafbarkeit an die Bedingung geknüpft, daß
wegen desselben die Ehe geschieden ist. Handelt es sich um doppelseitigen Ehebruch, genügt
die Scheidung einer der beiden Ehen.
8 34. Verbrechen gegen die Sittlichkeit.
Bei Doppelehe und Ehebruch prävaliert trotz ihrer gesetzlichen Einreihung unter die
Sittlichkeitsdelikte die Mißachtung der Heiligkeit der Ehe. Die übrigen Delikte, welche in
dem umfangreichen dritten Abschnitt des Strafgesetzbuches untergebracht sind, erhalten dagegen
vomehmlich ihren Charakter durch das Unsittliche, das in ihnen liegt.
Manhat wohl die Berechtigung der Sittlichkeit als eines selbständigen Rechtsguts bezweifelt.
Aber sehr zu Unrecht. Denn Lebenserscheinungen verdienen zu Rechtsgütern erhoben zu werden,
wenn das Staatsinteresse die Umkleidung mit strafrechtlichen Normen erfordert. Dies ist
aber wenigstens hinsichtlich der gröbsten unsittlichen Handlungen deshalb der Fall, weil der
Staat die moralische Gesundheit seiner Untertanen, um deren Leistungsfähigkeit zu erhalten,
vor unsittlichen Einflüssen bewahren und im Interesse der eigenen Selbsterhaltung verhindern
muß, daß diejenigen sittlichen Anschauungen, welche seine Grundlage bilden, eine wesentliche
9 erfahren. Mit dem Staatsinteresse geht Hand in Hand das Interesse der Gesellschaft,
welche einen Anspruch darauf hat, daß ihre Sitten respektiert und ihr Sittlichkeitsbewußtsein
nicht durch unsittliche Handlungen verletzt wird.
Trotz des unsittlichen Charakters enthalten eine Reihe von Sittlichkeitsdelikten zugleich
einen Angriff auf andere Rechtsgüter. Das sind besonders diejenigen Delikte, bei denen die
geschlechtliche Betätigung außerhalb der Grenzen erfolgt, welche der Staat hierfür gezogen
hat, nämlich: Inzest (§ 173 St GB.), Unzucht unter Mißbrauch des Autoritätsverhältnisses
(( 174), widernatürliche Unzucht (§ 175), gewaltsame Unzucht sowie unfreiwillige Schwächung
und Unzucht mit Jugendlichen (Is 176, 178), Notzucht (§§# 177 f.), Erschleichung des Beischlafs
(5 179), Verführung eines noch nicht sechzehnjährigen Mädchens (§ 182). Auch die wider-
natürliche Unzucht gehört zu den Delikten, welche sich nicht in der Verletzung der Sittlichkeit
erschöpfen. Sie gefährdet die körperliche Gesundheit von Verführer und Verführten, da sie
den Erwerb der Kontrasexualität, d. i. der pathologischen bzw. anormalen Sexualität, anbahnt.
Ihre ungehinderte Ausübung ist geeignet, eine epidemische Verbreitung der Homosexualität
herbeizuführen und in dem Maße, in dem sich mit ihr die Kontrasexualität verbreitet, besonders
schwere soziale Schädigungen zu verursachen.
Auch die schwere Kuppelei (s§ 181 St G.), namentlich soweit sie von Autoritätspersonen
oder Ehegatten geübt wird, und die Zuhälterei (§ 181 a StGB.) sind keine Verbrechen, die
lediglich um der Unsittlichkeit willen geahndet werden. Dagegen wird in der einfachen Kuppelei
(& 180 StGB.) nur eine in besonders widerwärtiger Form hervortretende Vorschubleistung
zur Unzucht bestraft.
Bloße Vergehungen gegen die Sittlichkeit sind Erregung öffentlichen Argernisses (§ 183),
öffentliche unzüchtige Ankündigung und Darbietung von Unzuchtsgegenständen, insbesondere
unzuchtsschriften und abbildungen (§ 184 Nr. 1, 3, 4), Mitteilungen aus einem Prozeß, in
dem wegen Gefährdung der Sittlichkeit die Offentlichkeit ausgeschlossen war (5 184 b). Auch