Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafrecht. 67 
sondere Verachtung der Staatsautorität offenbaren, wie z. B. durch die öffentliche Aufforderung 
zum Ungehorsam durch die Presse (§ 16 Preßgesetz vom 7. Mai 1874), oder dem Gemein- 
wohl Gefahr bringen, wie z. B. durch die öffentliche Aufforderung zur Zuwiderhandlung 
gegen Gesetze und Verordnungen (5 110 St GB.), öffentliche Aufforderung zur Begehung eines 
Delikts (§ 111 StGB.), Anreizung einer Militärperson zum Ungehorsam (5 112 StG.). 
Der Massenungehorsam wird in dem Delikt des Auflaufs geahndet. Einen Auflauf 
begeht eine auf öffentlichen Plätzen oder Wegen angesammelte Menschenmenge, die sich dem 
obrigkeitlichen Befehl zuwider nicht zerstreut (S 116 StGB.). 
II. Widersetzlichkeitsdelikte. 
A. Der wichtigste Fall ist der des Widerstandes gegen einen (deutschen) Voll- 
streckun gsbeamten (Begriff des Beamten s. § 359 StGB.) oder andere gleichgestellte 
Personen, wie z. B. Gehilfen des Vollstreckungsbeamten, Soldaten, Schutzleute, die sich in 
der rechtmäßigen Auslbung ihres Amtes oder des ihnen übertragenen Dienstes befinden (§ 113 
StGB.). Die Ausübung ist eine rechtmäßige, wenn jene Personen nicht nur im allgemeinen, 
sondern auch im speziellen zuständig sind und in der richtigen Form vorgehen. Eine irrtüm- 
lich als rechtmäßig angenommene Vollstreckungshandlung wird niemals durch den guten Glauben 
des Vollstreckungsbeamten zu einer rechtmäßigen. Der gute Glaube des Beamten entschuldigt 
zwar dessen Handlung, macht aber den Widerstand der Untertanen, die das Unrecht nicht über 
sich ergehen lassen wollen, zu keinem strafbaren. 
Befand sich der Beamte tatsächlich in der rechtmäßigen Auslbung seines Amtes, so ist 
doch nicht jede Widersetzlichkeit strafbar, sonderm nur diejenige, mit welcher Gewalt oder ge- 
waltsame Drohung verübt wurde (z. B. durch Einschließung des Bamten, dagegen nicht durch 
Verschließung der Zugangstür), oder welche in einen tätlichen Angriff überging. Im letzteren 
Falle genügt jede Tätlichkeit, auch ohne Zufügung einer Verletzung. 
Außer den Vollstreckungsbeamten genießen besonderen Schutz gegen Widerstand: 
1. die Jagd- und Forstbeamten sowie die Waldeigentümer und Forst= und Jagdberech- 
tigten (§ 117 ff. St GB.); 
2. die Zollbeamten nach einer Reihe von Nebengesetzen, z. B. § 17 Salzsteuergesetz vom 
12. Oktober 1867, 55 146 ff. Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869; 
3. die Schiffsvorgesetzten gegenüber der Schiffsmannschaft (S§s 100 ff. Seemannsordnung 
vom 2. Juni 1902). 
B. Der Widerstand bezweckt, einen anderen in der Vornahme einer Handlung zu hindern, 
stellt sich also als eine Art Nötigung dar. Die Nötigung eines Beamten ist nun 
nach positivem Recht härter zu bestrafen als der Widerstand gegen einen Vollstreckungs- 
beamten. Daraus würde sich eine Privilegierung des letzteren Deliktes ergeben, die schwer- 
lich in der Absicht des Gesetzgebers gelegen hat. Doch wird dieses Ergebnis kaum durch Inter- 
pretation vermieden werden können. 
Die Nötigung eines Beamten oder einer Behörde ist in weitem Umfange strafbar. Es 
kommt weder, wie beim Widerstand, auf die Beamtenkategorie noch auf die Art der Handlung 
oder Unterlassung, zu der genötigt wurde, an. Die Grenzen, in denen sonst die Nötigung 
strafbar ist, sind dadurch überschritten, daß als Mittel der Begehung hier neben Gewalt jegliche 
Drohung ausreicht (5§ 114 StGB.). 
C. Widerstand oder Nötigung, die von einer öffentlich zusammengerotteten Menschen- 
menge ausgehen und mit vereinten Kräften begangen werden, führt zum Delikt des Auf- 
ruhrs (§ 115 StGB.). 
Eine Abart des Aufruhrs ist die Meuterei, welche sich dadurch ausgezeichnet, daß 
die der Obrigkeit zu besonderem Gehorsam Verpflichteten sich zusammenrotten, um mit Ge- 
walt gegen Personen oder Sachen zu handeln. Die Meuterei ist nur in vereinzelten Fällen 
strafbar, z. B. als Meuterei von Schiffsleuten (S§s 101, 104 der Seemannsordnung vom 2. Juni 
1902) und Meuterei von Gefangenen (7 122 Sto.). 
Die Selbstbefreiung der Gefangenen ist im übrigen straflos. Dagegen 
verfällt der Dritte, welcher einen Gefangenen befreit oder bei der Selbstbefreiung des Ge- 
sangenen Hilfe leistet, der Strafe (§§ 120 f. StGB.). Stiftet ihn der Gefangene hierzu an, 
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