Strafrecht. 71
widerhandlungen gegen die Gesetze, betreffend Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen
(Ges. vom 23. Juni 1880 bzw. 1. Mai 1894), Bekämpfung der Reblaus (Ges. vom 6. Juli
1904) usw.;
7. die Sittlichkeits= und Gesittungspolizei. Diese Gruppe umfaßt
die spezifischen Delikte der Landstreicher, Arbeitsscheuen, Müßiggänger, Obdachlosen (§ 361
Nr. 3, 5—9) und Bettler (§ 361 Nr. 4). Unter Betteln ist die im eigenen Interesse an fremde
Personen gerichtete Bitte um milde Gaben zu verstehen. Das eigene Interesse umfaßt auch
die Sammlung von Gaben für Personen, zu deren Unterhalt der Bittende verpflichtet ist, da-
gegen nicht das Kollektieren.
Es gehören hierhin ferner Tierquälerei (s 360 Nr. 13, Ges. vom 4. Dezember 1876 und
vom 22. März 1888), Zuwiderhandlungen gegen das Vogelschutzgesetz vom 30. Mai 1908 und
grober Unfug (§5 360 Nr. 11). Das letztgenannte Delikt spielt eine nicht unbedeutende Rolle.
Es wird vielfach, aber zu Unrecht, als ein subsidiäres Delikt angesehen, das überall Platz greife,
wo eine Handlung wider Fug und Recht geschehe. Dies geht aber viel zu weit. Als grober
Unfug soll lediglich ein das Publikum belästigendes, den äußeren Bestand der öffentlichen
Ordnung verletzendes oder gefährdendes Benehmen geahndet werden.
4) Verbrechen gegen das Finanzwesen.
Der Staat sichert sich die ihm durch pekuniäre Leistungen von Privaten zufließenden
Einnahmen, indem er die Zuwiderhandlungen gegen seine dahingehenden Vorschriften mit
Strafe bedroht. Die hierdurch geschaffenen Delikte tragen die Signatur, welche ihnen das
Vorwiegen des fiskalischen Interesses verleiht. Sie verlassen infolgedessen in manchen Punkten
die allgemeinen strafrechtlichen Normen und bilden einen besonderen Verbrechenskomplex,
dessen wesentliche Eigentümlichkeiten namentlich darin liegen, daß die Strafe meist nur an
einen objektiven Tatbestand angeschlossen und von einem Beweis der Schuld unabhängig ge-
macht wird. Auch wird bei ihnen nicht selten der Versuch dem vollendeten Delikt gleich-
gestellt, oft eine dritte Person subsidiär für die Geldstrafe in Anspruch genommen, der Rück-
fall in der Regel schwerer gestraft und überhaupt eine größere Strenge bekundet.
Die einzelnen Delikte lassen sich je nach der Abgabe, auf welche sie sich beziehen, in drei
Hauptgruppen einteilen:
1. Verletzungen der Gebührenpflicht. Dahin gehören die Post= und
Portodefraudationen (§s 27 ff. Ges. vom 28. Oktober 1871), Hinterziehungen von Kanal-
abgaben (Ges. betr. die Gebühren für den Kaiser-Wilhelm-Kanal vom 20. Juni 1899) u. a.;
2. Zolldelikte, wie namentlich die Zuwiderhandlungen gegen das Vereinszoll=
gesetz vom 1. Juli 1869;
3. Steuerdelikte. Diese betreffen teils Verbrauchs- und Gewerbesteuern, teils
Stempel- und ähnliche Steuern. Zu der ersteren Gruppe gehören z. B. die strafbaren Hand-
lungen gegen die Gesetze über Besteuerung von Salz (Ges. vom 12. Oktober 1867), Tabak
(Ges. vom 15. Juli 1909), Zigaretten (Ges. vom 3. Juni 1906), Braustoffen (Ges. vom 15.
bzw. 21. Juli 1909), Branntwein (Ges. vom 15. Juli 1909), Zucker (Ges. vom 31. Mai 1891
bzw. 27. Mai 1896), Schaumwein (Ges. vom 9. Mai 1902), Leuchtmittel und Zündwaren
(Ges. vom 15. Juli 1909). Zu der letzteren Gruppe gehören strafbare Handlungen gegen die
Gesetze über Wechselstempel (Ges. vom 10. Juni 1869 bzw. 4. Juni 1879), Spielkartenstempel
(Ges. vom 3. Juli 1878), Wertpapierstempel am 27. April 1894 bzw. Ges. vom 14. Juni 1900),
die Delikte gegen das Erbschaftssteuergesetz vom 3. Juni 1906, das Zuwachssteuergesetz vom
14. Januar 1911 u. a.
8 42. Amtsverbrechen.
Die Beamten, die einerseits als Organe der Staatsverwaltung in ihren Amtshandlungen
besonders geschützt sind, werden anderseits aber auch besonders schwer gestraft, wenn sie ihre
Amtspflichten verletzen.
Begehen sie hiermit ein gemeines Delikt, so erhält ihre Tat dadurch ein besonderes Ge-
präge, daß sie gerade von Personen verübt wird, die zur Aufrechterhaltung der Gesetze be-