Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

80 Berthold Freudenthal. 
Behörde zu fügen, — eben auf Grund des amtlichen Dienst- oder Unterordnungsverhältnisses. 
Aber in die Rechte der einzelnen einzugreifen, sie zu beschränken, ihre Pflichten zu steigern, 
ist Verwaltungsverordnung nicht geeignet. Dazu wäre Gesetz oder gesetzlich vorbehaltene 
Rechtsverordnung erforderlich. Ein von bloßer Verwaltungsverordnung getragener Rechts- 
eingriff wäre rechtlich nicht begründet, also rechtswidrig. 
III. Wenden wir dies auf den Gefangenen an. Greift das Gefängniswesen in seine 
Rechtsstellung ein, so muß solcher Eingriff im konstitutionellen Staat unmittelbar oder mittelbar 
auf Gesetz beruhen. Bloße Verwaltungsverordnung reicht dafür nicht aus. Der Unterschied 
zwischen der einen und der anderen Regelung ist dabei nach der Art, wie sie zustande kommt, 
praktisch folgender: Zum Gesetz wie zur Rechtsverordnung gehört unter allen Umständen, wenn 
auch in verschiedener Weise, die Zustimmung der Volksvertretung. Erfolgt nämlich die Regelung 
unmittelbar durch Gesetz, so setzt dessen Erlaß die Willensübereinstimmung der Volksvertretung 
voraus. Erfolgt sie durch gesetzlich delegierte Rechtsverordnung, so ist zwar für deren Erlaß, 
wie bei jeder Verordnung, Zustimmung der Volksvertretung nicht erforderlich; wohl aber ist 
diese Zustimmung die Voraussetzung der gesetzlichen Delegation. Die Volksvertretung muß 
also mit der Regelung im Verordnungswege sich einverstanden erklärt haben, während bloße 
Verwaltungsverordnung lediglich auf dem Willen der sie erlassenden Verwaltungsbehörde 
beruht, die kraft Dienstgewalt ihren untergeordneten Behörden allgemeine Befehle geben kann. 
An den Rechten und Pflichten der Gefangenen kann solche Verwaltungsverordnung nichts ändern. 
Rechts-, nicht Verwaltungsbestimmungen sind also — sei es in Gestalt von Gesetz, sei es von 
gesetzlich delegierter Rechtsverordnung — nötig, ebenso wohl zur Begründung von Eingriffen in 
die Freiheit des Gefangenen (z. B. durch die Disziplinarstrafe des Dunkelarrestes); wie für Ein- 
griffe in seine Körperintegrität (z. B. durch Prügelstrafe); wie in seine Ehre (z. B. durch Be- 
schränkung der Wahlfähigkeit) 1; wie in sein Eigentum (z. B. durch Vemichtung gewisser von 
ihm in die Anstalt eingebrachter Gegenstände); wie in sein Recht auf freie Meinungsäußerung 
(z. B. durch Beschränkung seines Briefwechsels mit Angehörigen) ? uff. 
In allen diesen Fragen müssen, um es zusammenzufassen, die gesetzgebenden Faktoren, 
unter ihnen die Volksvertretung, mit der Art der Regelung einverstanden gewesen sein. Erfolgt 
sie durch Gesetz, so bestimmen sie seinen Inhalt. Erfolgt sie durch gesetzlich delegierte 
Rechtsverordnung, so müssen sie diese Delegation an die Verwaltung gutheißen, die dann 
ihrerseits den Inhalt der Verordnung selbständig bestimmt. 
8§ 2. Die Gefangenschaft als Rechtsverhältnis. 
I. Die Beziehungen des Staates zum Verbrecher im Vollzug einer Freiheitsstrafe sind 
durch das Gefängnisrecht (oben § 1) geregelt. Rechtlich geregelte Beziehungen bezeichnet man 
als Rechtsverhältnis. Die Gefangenschaft ist also ein Rechtsverhältnis, und zwar, da 
das öffentliche Recht, wie wir sahen, sie regelt, eim Rechtsverhältnis desöffent- 
lichen Rechtes. 
Wenden wir auf dies Rechtsverhältnis die Sätze des öffentlichen Rechtes an, zu denen 
vor allem die des geltenden Staatsrechtes gehören (s. oben S. 79), so ergibt sich folgendes: Die 
Rechtsstellung des in Gefangenschaft befindlichen Staatsbürgers ist gleich der des Staats- 
bürgers schlechthin, abzüglich der Rechte, die durch den Vollzug der Freiheitsstrafe kraft Rechtens 
in Wegfall kommen. Die Rechte des Gefangenen sind mithin im Strafvollzuge gleich der 
Differenz von staatsbürgerlichen Rechten schlechthin und von Rechten des Staates auf den 
Vollzug der im Gesetz angedrohten und vom Richter verhängten Freiheitsstrafe. So unter- 
scheidet sich die Rechtsstellung des Gefangenen von der des freien Staatsbürgers nur durch die 
Einschränkungen, welche die richterlich auferlegte Freiheitsstrafe kraft Gesetzes in sich schließt. 
Dem gegenüber kann der Vollzug nichts weiteres auferlegen. 
Wie sein Name besagt, „vollzieht“ er ja lediglich, was der Richter auf Grund bestehenden 
Rechtes in der Freiheitsstrafe über den Gefangenen verhängt hat: „Es darf in dem Rechtsver- 
1 Siehe Z. 32, 226 ff. 
: Laband, Staatsrecht 4. Aufl. 1901 Bd. 3 S. 57 ff.
	        
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