Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

82 Berthold Freudenthal. 
solche Gegengründe werden oftmals nicht vorliegen, wo man jetzt noch ohne viel Nachdenken 
im Gesetze die Freiheitsstrafe mit anderen Strafen vermischt. Im allgemeinen werden nämlich 
dieselben Gesichtspunkte, aus denen im besonderen Falle dem Gesetzgeber Freiheitsstrafe erwünscht 
scheint und deshalb von ihm angedroht wird, auch für die Femhaltung anderer Strafelemente 
sprechen, wie das in den oben angeführten Beispielen zumeist der Fall ist. Oder welchen 
Sinn hat es, um eines von ihnen herauszugreifen, den Zuchthausgefangenen für seine Arbeit 
schlechter als den Gefangenen zu bezahlen, da es doch des Staates eigenstes Interesse ist, daß 
er zur Unterhaltung seiner Angehörigen, zur Schadloshaltung des Verletzten und vor allem 
zur Überwindung der kritischen Zeit nach der Entlassung nicht weniger als der Gefängnisinsasse 
materielle Mittel besitze? 
Handelt es sich femer um die Unterscheidung der Arten von Freiheitsstrafen im 
Zukunftsrechte, so muß diese Trennung wiederum grundsätzlich nach Momenten der Freiheits- 
entziehung, also z. B. nach längerer und härterer oder nach milderer und kürzerer Arbeit er- 
folgen, aber nicht z. B. nach den fremden und unzugehörigen Elementen einer unter ganz anderem. 
Gesichtspunkt angebrachten Ehren- oder Vermögensstrafe. 
c) Erfahrungsgemäß treten beim Vollzuge der Freiheitsstrafe Neben wirkungen 
ein, die dem Gesetzgeber wie dem Staate gleich unerwünscht sind, die mit der Freiheitsstrafe 
deren Wesen nach nichts zu tun haben, und durch die doch über den Gefangenen oder über un- 
schuldige Dritte schwere Schädigungen kommen: Während der Gefangene die Strafe verbüßt, 
fehlt seiner Familie der Ernährer und der Erzieher. So lange er seinen Beruf nicht ausüben 
kann, ist ferner Schadloshaltung des durch sein Verbrechen Geschädipten erschwert, wenn nicht 
unmöglich gemacht. Richtet der Gesetzgeber der Zukunft solchen Nebenwirkungen der Strase, 
nicht mehr wie bisher bloß dieser selbst, seine Aufmerksamkeit zu, so kann er beide Wirkungen 
einigermaßen ausgleichen, indem er dem Gefangenen den vollen Wert seiner Arbeit als Arbeits- 
lohn zuspricht. 
Vor allem aber treffen jene Nebenwirkungen unerwünschter Art den Gefangenen selbst. 
Nachdem er die Strafe verbüßt und die Tat gefühnt hat, schließt sich erfahmmgsgemäß oftmals 
Arbeits= und Erwerbslosigkeit an, die für den Staat beinahe ebenso gefährlich ist wie das 
Verbrechen selbst, weil sie den einmal Gefallenen leicht dem Verbrechen von neuem in die 
Arme treibt. Auch hier ist das Vollzugsgesetz der Zukunft einzutreten berufen. Entlassenen- 
fürsorge wird zur Aufgabe des Staates, aber wieder nicht als eine Forderung lediglich der 
Menschlichkeit oder der Staatsraison, sonderm als eine Folge des Wesens der Gefangenschaft 
als Rechtsverhältnis, indem über den Gefangenen nichts als Freiheitsverlust, und dieser nur 
in der Strafzeit verhängt werden darf. Wo läge wohl sonst gesetzgeberisch die Rechtfertigung 
dafür, daß über den Verbrecher nach der Strafe eine neue Strafe, und zwar nach der Freiheits- 
eine Vermögensstrafe einträte? Dabei bleibt offen, ob der Staat die Aufgabe der Entlassenen- 
fürsorge unmittelbar durch eigene Beamte oder mittelbar durch bloße Organisierung oder (ganze 
oder teilweise) Honorierung der Vereinen oder Privaten obliegenden Entlassenenfürsorge 
erfüllen will. 
IV. So tritt zur Reinhaltung der Freiheitsstrafe die Isolierung ihrer Wir- 
kungen als ziel jedes künftigen Gefängnisrechtes hinzu. Seine Aufgabe wird es sein, den 
Vollzug als Rechtsverhältnis allseitig durchzubilden und die Folgerungen dieses Charakters 
herauszuarbeiten. Dadurch werden die rechtlichen Beziehungen der am Vollzuge beteiligten 
Rechtssubjekte klargestellt und Normen des Rechtes, soweit tunlich, an die Stelle freien Er- 
messens der Vollzugsbehörden gesetzt. Wird dabei der für jede Verwaltungstätigkeit erforder- 
liche Rahmen freien Ermessens vom Gesetze den Behörden des Vollzuges freigelassen, so liegen 
im übrigen feste Normen in deren eigenstem Interesse. Niemand empfindet das stärker 
als sie selbst W. Denn in solchen Normen liegt ihre Deckung gegenüber Angriffen der Offent- 
lichkeit, wie gegenüber mehr oder minder vagen und widerstreitenden Gefühlserwägungen, 
durch die man die Gestaltung des Vollzuges bald nach dieser, bald nach jener Seite hin zu be- 
einflussen versucht. „Der Strafvollzugsbeamte befindet sich heute in einer eigenartigen Lage. 
Die einen werfen ihm törichte Schwäche und weichliche Gefühlsseligkeit vor und möchten seine 
1 So schon Krohne, S. 316 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.