Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

96 Berthold Freudenthal. 
Gefangene mit dem Unternehmer nichts zu tun hat; hier gehen die Rohstoffe des Unter- 
nehmers nach Verarbeitung im Gefängnis an diesen zurück, wofür der Arbeitslohn als 
Stücklohn an die Anstalt gezahlt wird. 
In erster Linie wird für den Bedarf der Anstalt selbst, in zweiter für Reichs- und 
Staatsbehörden gearbeitet, — neuerdings u. a. durch die für den Fiskus ergiebige 
Verwertung des Militär-Altmaterials; durch sie hofft man der freien Arbeit 
möglichst geringe Konkurrenz zu machen. 
Landeskulturarbeiten werden, z. T. in sogenannten „Freiluftzuchthäusern“, 
mit gutem Erfolge stark betrieben (Moorkulturen, Flußreguliemungen, Weinbergsarbeiten usw.). 
Der nach alledem verbleibende Teil von Gefangenen, der beim preußischen Ministerium 
des Innern 1908 nur noch 17,630% gegen 73% im Jahre 1868 umfaßte, wird im öffent- 
lichen Ausgebot an Unternehmer vergeben. Dabei wird zum Schutze der freien Arbeit 
der Verteilung auf verschiedene Untermehmer und Industrien Aufmerksamkeit geschenkt. Nur 
6,305P sind in den Anstalten des Ministeriums des Innenn mit „Verlegenheits- 
arbeiten“, wie Sacknähen, Federreißen usw. beschäftigt. 
Der Anteil am Arbeitsertrage, der dem Gefangenen gutgeschrieben wird, ist nach den 
geltenden Bestimmungen als freies Geschenk zu betrachten, auf das kein Recht besteht. Eine 
Auffassung, die sich aus der Zeit erhalten hat, da er schlechtweg als Ersatz der Strafvollzugs- 
kosten vom Staat einbehalten wurde. Sie steht im Gegensatze zur Auffassung des Strafvoll- 
zuges als Rechtsverhältnis, derzufolge ein vollwertiger Arbeitslohn der Leistung ent- 
sprechen muß, damit nicht zur Freiheitsstrafe im Vollzug eine Vermögensstrafe hinzu- 
gefügt werde (s. oben § 2 III Abs. 3). 
IV. Die Disziplinarmaßregelnt sind von den Grundsätzen des Bundesrats 
im ganzen, bei aller notwendigen Energie, in milder Weise geordnet. Die wichtigste ist die 
„einsame Einsperrung“. Die Prügelstrafe, gegen die das Reichsjustizamt schon 1895 
Bedenken geäußert hat, ist, wo sie vorher bestand, aufrecht erhalten geblieben. „Wird 
.. ordonnanzmäßig ... geschlagen, so muß beim fünften Hiebe die angespannte 
Haut platzen und jeder folgende Hieb klatscht in die blutige Masse 2.“" In den An- 
stalten des preußischen Ministeriums des Innern beschränkt sie sich aber auf männliche Zucht- 
hausgefangene, auf den Fall tätlichen Vergreifens an Beamten und auf 30 Hiebe im Höchst- 
maße. 1908 ist nach dem offiziellen Berichte von ihr kein Gebrauch gemacht worden, 1911 
im Ganzen fünfmal. Sie steht also auf dem Aussterbeetat. In Bayem, Württemberg, 
Baden ist sie abgeschafft. Mit Recht, denn sie verdirbt alle Teile, den Gefangenen, den 
Prügelnden, wie den Exekutionsleiter und bringt die übrigen Anstaltsinsassen in inneren 
Gegensatz zur Verwaltung. 
Sachsen kennt noch den bedenklichen? Lattenarrest und engen Arrest. 
V. Das Gegenstück der Disziplinarmittel, die vorläufige Entlassung“, wird 
in Preußen verhältnismäßig wenig angewandt. Unter den von einer Beamtenkonferenz befür- 
worteten Anträgen wurden 1911 35,200 durch den Justizminister abgelehnt. Die Folge ist, 
daß die Hoffnung auf vorläufige Entlassung im Vollzuge nicht so stark wirkt, wie sie sollte. In 
Baden macht man von ihr stärkeren Gebrauch. Der enorme Unterschied „kann nicht darauf 
beruhen, daß die Gefangenen Preußens so viel schlechtere Menschen wären“ (E. von Jage- 
mann). Uberdies wird sie in Baden für Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr, einer An- 
regung E. von Jagemanns gemäß, durch die im Gnadenweg erfolgende Beurlau- 
bung auf Wohlverhalten ergänzt. Diese ersetzt man in Preußen neuerdings durch 
bedingte Aussetzung eines Strafteiles. 
VI. Beschwerden über die Art der Strafvollstreckung entscheidet die Verwaltungsbehörde. 
Richterliche Entscheidung, wie sie insbesondere zur Vermeidung von Mißtrauen verlangt wird, 
würde dem Wesen des Strafvollzuges als Rechtsverhältnis entsprechen. 
1 Siehe dazu Salomonin Aschaffenburgs M. f. Kr.-Ps.9, 6 ff., sowie Klein Z.333, 653. 
zue nach Krohne, S. 354 f. 
Leppmann, Der Gefängnisarzt, 1909 S. 46. 
8 u W erste Einführung ist das Verdienst v. Holtzendorffs (s. E. v. Jagemann,
	        
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