$ 4. Der preuß. Einheitsstaat als konstit. Monarchie. 95
König und die beiden Kammern im Wege neuer selb-
ständiger Rechtssetzung als drei Gewalten behandelt,
welche an sich gleichmäßig bei der Ausübung
beteiligt seien (Art. 55, 72 nebst Motive), während das
jus ebenfalls allein der Nation zustehen sollte. Regel-
mäßig sollte zwar die Beteiligung des Königs bei der
Ausübung der gesetzgebenden Gewalt die einer positiven
Zustimmung sein, und „die Mehrheit des Verfassungs-
ausschusses, die in der gleichen Konkurrenz der Krone
bei der Gesetzgebung einen Fundamentalsatz der con-
stitutionellen Monarchie erblickte, verwarf darum den
Vorschlag, dem Könige überhaupt nur ein Veto ein-
zuräumen. Es wurde indessen zur Vermeidung jeder
dauernden Kollision zwischen der Krone und der
Volksvertretung für nothwendig erachtet, die Genehmi-
gung der ersteren nach dreimaliger unveränderter An-
nahme eines Gesetzesvorschlags stillschweigend voraus-
zusetzen“ (Mot. zu Art. 55). Nur bei einem „die Ver-
fassung ändernden Gesetz“ war (Art. 104) ausdrücklich
die Konsequenz ausgeschlossen, daß die Kammern
durch mehrfache oder qualifizierte Beschlußfassung hier
die unbedingt notwendige, positive Zustimmung des
Königs ersetzen konnten, und damit dem konstitutionell
beschränkten Hohenzollernkönigtum überhaupt ein
Schutz gegen einseitige Wegdekretierung durch die
Volksvertretung gegeben.
Der gegenüber der bisherigen Entwicklung in Preußen
recht luftige Verfassungsbau der Kommission der N.V.
wurde nicht Wirklichkeit. Nachdem bereits Friedrich
Wilhelm IV. in einem Programm vom 8. November
1848 dem neuen Ministerpräsidenten Grafen v. Branden-
burg in erster Linie die Aufgabe gestellt, „die Sou-
veränetät der Krone gegen die Souveränetätsgelüste
der preußischen sogenannten N.V. entschieden und
siegreich aufrecht zu erhalten“, empfahl das Ministerium
Brandenburg gerade aus dem Grunde, daß die N.V.