100 $ 4. Der preuß. Einheitsstaat als konstit. Monarchie.
wenn auch der Text der okt. V. formell davon
schweigt, so war manüber den „staatsgrundgesetzlichen“
Charakter auch der okt. V. dennoch niemals im Zweifel.
Aber die Qualifizierung der beiden Verfassungs-
urkunden als „Staatsgrundgesetz“ ist überhaupt nur
in dem Sinne erfolgt, daß ihre Normen in Zukunft
nur die prinzipiell leitende Richtschnur für
die Rechtsgestaltung des zur konstitutionellen Mon-
archie gewordenen preußischen Einheitsstaates dar-
stellen sollten, nicht aber die schlechthin einzige und
originäre Basis dieser Rechtsgestaltung. Demgemäß
konnten die Verfassungsurkunden nicht nur vor-
konstitutionelles Recht, sofern es ihnen nicht zuwider-
lief, ausdrücklich als fortgeltend anerkennen, sondern
auch ihre Hauptartikel geradezu so fassen, daß sie nur
Modifikationen von vorkonstitutionellem staatsgrund-
gesetzlichem Recht selbst enthielten. Daß die Staats-
regierung und im Einklang mit ihr die Revisions-
kammern in den beiden Verfassungsurkunden dem
Hohenzollernkönig allein das jus der Staatsgewalt
belassen wollten, steht nach der Schilderung des von
der Krone gegenüber der N.V. eingenommenen Stand-
punktes völlig außer Zweifel. Andererseits fehlt in
beiden Verfassungsurkunden eine positive Bestimmung
in der Art, wie andere deutsche Verfassungen „das
monarchische Prinzip“ fixieren, z. B. die bayerische
vom 26. Mai 1818:
„Der König ist das Oberhaupt des Staates, vereinigt
in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter
den von ihm gegebenen, in der gegenwärtigen Ver-
fassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen aus.“
So bleibt nur der Schluß übrig, daß der preußische
Verfassungsgesetzgeber bei der oktroyierten wie bei
der revidierten Verfassungsurkunde die formalgesetz-
liche Fixierung des „monarchischen Prinzips“ aus vor-
konstitutioneller Zeit: also den „staatsgrundgesetz-