Full text: Preußisches Staatsrecht.

$ 4. Der preuß. Einheitsstaat als konstit. Monarchie. 103 
in der I. Kammer Bestrebungen, an den Kopf der Ver- 
fassung den Satz zu stellen: „Die Verfassungsform des 
preußischen Staats ist die erblich-monarchische, beschränkt 
urch die verfassungsmäßige Mitwirkung der Kammern.“ 
Der Bericht des Zentralausschusses erklärte sich mit be- 
sonderer Kraft dagegen, weil „durch den ganzen Inhalt 
der Verfassungsurkunde, durch alle ihre einzelnen Be- 
stimmungen, die Verfassung des preußischen Staates hin- 
länglich als die constitutionell-monarchische, d.h. als eine 
erblich-monarchische, aber durch die Mitwirkung der 
Landesvertreter bei der Gesetzgebung beschränkte Ver- 
fassung charakterisirtt werde und daher der vor- 
geschlagene Zusatzartikel überflüssig, eben deshalb aber 
auch nicht unbedenklich sei“. 
Wenn der Eingang der Verfassung vom 31. Januar 
1850 dieselbe als „Staatsgrundgesetz“ charakterisiert 
und vorher von „staatsgrundgesetzlichen“, noch in die 
konstitutionelle Zeit hineinreichenden Vorschriften des 
A.L.R. gesprochen ist, so ist dabei von dem Begriff 
„Staatsgrundgesetz“ als einem materiellen ausgegangen, 
weil Normen in Betracht kommen, welche um ihres 
materiellen Inhalts willen als Fundamente einer be- 
stimmten Rechtsgestaltung erscheinen. Doch hat die 
Charakterisierung der Verfassung vom 31. Januar 1850 
als „Staatsgrundgesetz“ auch eine formelle Seite und 
wurzelt in der Vorstellung eines „formellen“ Staats- 
grundgesetzes. 
Noch bevor der moderne Konstitutionalismus eigent- 
lich zu wirken begann, war auf deutschem Boden der 
Ausdruck leges fundamentales gebräuchlich zur Bezeich- 
nung von Bestimmungen „formell staatsgrundgesetzlicher“ 
Art. Man verstand darunter Rechtschöpfungsakte, welche 
vertragsmäßig zwischen dem Regenten und der 
ständischen Korporation über Grundfragen des staatlichen 
Lebens (Thronfolge, Rechte des Regenten, Beschränkung 
desselben durch die Stände usw.) zustande kamen. Den 
eigentlichen, aus dem Majestätsrecht der potestas legisla- 
toria fließenden Gesetzescharakter sprach man jedenfalls 
den leges fundamentales ab. Wenn man auch annahm 
(Kreittmayr, Staatsrecht, 1769): „Aus der Souveränetät 
fließet, daß der Regent an kein menschliches Gesetz ge- 
bunden seye“, so leitete man doch eine wahre Verbindlich- 
keit der leges fundamentales für den Regenten aus „einem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.