Full text: Preußisches Staatsrecht.

$ 4. Der preuß. Einheitestaat als konstit. Monarchie. 105 
„Die Verfassung kann auf dem ordentlichen Wege 
der Gesetzgebung abgeändert werden, wobei in jeder 
Kammer die gewöhnliche absolute Stimmenmehrheit bei 
zwei Abstimmungen, zwischen welchen ein Zeitraum von 
wenigstens 21 Tagen liegen muß, genügt.“ 
Der Schutz des Art. 107, d.h. das Erfordernis einer 
zweimaligen Abstimmung in jeder Kammer mit einer 
Ziwischenfrist von mindestens 21 Tagen, kommt übrigens 
seitdem nur den eigentlichen Vorschriften der Ver- 
fassung vom 31. Januar 1850 sowie denjenigen späteren 
Gesetzesbestimmungen zugute, welche förmlich zu Be- 
standteilen der Verfassungsurkunde erklärt worden. 
Freilich darf, wenn es sich bei einem gesetzgeberischen 
Vorgehen um Abänderung eines Artikels der Ver- 
fassungsurkunde handelt, nicht die Forderung aufgestellt 
werden, daß immer erst ein besonderes Gesetz — selbst- 
verständlich mit zweimaliger Abstimmung nach Art. 107 — 
förmlich die Abänderung ausspreche, wenn in dieser 
Hinsicht der Weg für die Spezialgesetzgebung frei sein 
soll. Es genügt, daß gleichzeitig bei der parlamen- 
tarischen Beratung über die Bestimmungen eines 
Spezialgesetzes, welche gewissen Verfassungsartikeln 
widerstreiten, die Verfassungsänderung bewußt bejaht 
und alsdann das Spezialgesetz im ganzen mit zwei- 
maliger Abstimmung unter Wahrung der Mindestfrist 
von 21 Tagen angenommen wird. 
Die nicht nur in den Rheinlanden, sondern in der 
Monarchie überhaupt!) rite publizierte Kabinettsordre 
vom 6. März 1821 hatte das Prinzip sanktioniert, daß 
das innere Staatsrecht des preußischen Einheitsstaates, 
mit Einschluß des Verwaltungsrechtes, an sich ein ein- 
heitliches sei. Infolgedessen waren die staatsrecht- 
lichen Normen des preußischen Einheitsstaates grund- 
sätzlich mit Einheitskraft in dem Sinne ausgestattet, 
1) Vgl. Amtsblatt der Regierung zu Königsberg 1821, 
Nr. 16.
	        
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