$ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 117
an sich vom König aus!). Gerade die Kasuistik des
A.L.R. diente aber dazu, die strenge Bindung des Richters
an den Willen des Gesetzgebers sicher zu stellen.
„Um für die bürgerliche Freiheit die Gefahr ab-
zuwenden, daß allzuviel auf die individuelle Fähigkeit
des Richters ankomme, erklärte Suarez in Vertheidigung
der Fassung des A.L.R. es für unerläßliche Pflicht der
gesetzgebenden Macht, nicht nur die Begriffe der recht-
ichen Gegenstände und Handlungen, sondern auch die
daraus herzuleitenden Folgen so viel möglich durch posi-
tive Gesetze zu bestimmen.“
Das Publikationspatent vom 5. Februar 1794 hatte
den Inhalt der dem A.L.R. beigelegten „vollen Gesetzes-
kraft“ dahin umschrieben:
„also daß dasselbe bei Vollziehung und Beurtheilung
aller rechtlichen Handlungen und deren Folgen, sowie
bei Entscheidung der sich ereignenden Rechtsstreitigkeiten
zum Grunde gelegt werden soll“.
Auch in nachlandrechtlicher Zeit fand man hierin eine
so zutreffende Kennzeichnung des preußisch-rechtlichen
Gesetzesbegriffes, daß man wiederholt in gleicher Weise,
namentlich bei Einführung größerer Gesetzgebungsakte,
die Gesetzeswirkung umschrieb?). Jedenfalls differierte
diese Umschreibung des Gesetzesbegriffes, da sie dessen
Natur deutlich genug auf eine Normierung „aller recht-
lichen Handlungen und deren Folgen“ abstellte, in
keiner Weise von der bisher vertretenen Auffassung des
preußisch-rechtlichen Gesetzesbegriffes; insbesondere
beschränkte sie nach ihrer objektiven Fassung (vgl.
erstes Satzglied) den Gesetzesbegriff nicht bloß auf eine
sich an die gewöhnliche Untertanenschaft richtende
Norm. Unter den Begriff „eines jeden, den es angeht,“
fiel ebenfalls die gesamte Staatsdienerschaft, zudem
S 1 Publ.-Pat. 5. Februar 1794, Anfang; Kamptz 52,
9 Yal. Publ.-Pat. 4. August 1801 bzw. 2. März 1802
wegen des ostpr. Provinzialrechts; Pat. 9. September 1814,
G. 8. 89; Pat. 9. November 1816, G. S. 217.