126 $ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung.
sollen von dem Richteramt getrennt sein“; wozu die
Motive sagten:
hierdurch „soll dem durch die öffentliche Meinung
längst festgestellten Bedürfnisse einer gänzlichen Be-
freiung des erkennenden Richters von gerichtlichen
Administrationsgeschäften entsprochen werden. Es bedarf
keines Nachweises, daß in der bisherigen Verbindung der
richterlichen Tätigkeit mit Administrationsgeschäften,
wohin die Führung von Hypothekenbüchern, Verwaltung
der Vormundschaften, der Sportel- und Depositalmassen
ehören, eine Hauptquelle der Mängel liegt, welche in
der Rechtspflege des größten Teils der Monarchie sich
fühlbar gemacht haben.“ Art. 81 des Kommissions-
verfassungsentwurfs stimmte übrigens mit Art. 85 okt. V.
and Art. 86 rev. V. wörtlich überein.
Aus der besonderen Hervorhebung des „Ausfertigen
und Vollstrecken* der Urteile in Art. &6 S. 2 folgt
somit, daß der Verfassungsgesetzgeber allein die vor-
aufgehenden Stadien der richterlichen Wirksamkeit zur
Sphäre der richterlichen Gewalt gezogen hat und daher
im Art.86 S.1 eine verfassungsmäßige Verbürgung-der
„Unabhängigkeit“ der richterlichen Gewalt nur bezüglich
„aller Funktionen, welche im Rechtsprechen bestehen
und dasselbe vorbereiten“, enthalten ist. Sofern nach
dem Inkrafttreten der rev. V. den Gerichten Geschäfte
verblieben, welche wie das Vormundschafs-, Hypotheken-
wesen usw. an sich dem Gebiete der „vollziehenden“
Gewalt (Administration) angehörten, gründete sich dies,
‘wie auch die insofern etwa den Gerichten zukommende
„Unabhängigkeit“ aufeine besondere,eventuelldurch
Art. 109, 110 rev. V. aufrechterhaltene Gesetzgebung.
Die Aufnahme eines besonderen Ausspruchs: „Rechts-
pflege und Verwaltung sollen getrennt und vonein-
:ander unabhängig sein“, wurde bei der Verfassungs-
revision nicht beliebt, weil dies „Prinzip im preußischen
‚Staate bereits in Ausübung gebracht und durch andere
Bestimmungen der Verfassungsurkunde gesichert sei“.
Man dachte hierbei teils an Art. 88 („Den Richtern
‚dürfen andere besoldete Staatsämter fortan nicht über-
tragen werden; Ausnahmen sind nur auf Grund eines