130 $ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung.
der „Sanktion“, des die Gesetzeskraft schaffenden
Befehles, haben solle, und daß nur ausnahmsweise ein
qualifizierter übereinstimmender Kammernbeschluß un-
mittelbar zur „Gesetzeskraft* — der Voraussetzung
des dem Könige zustehenden Verkündigungsbefehles
(Art. 45) — erwachse. Die okt. V., wie die rev. V. sind
indessen unverkennbar in den hier fraglichen Be-
ziehungen zum Standpunkt des Regierungsverfassungs-
entwurfs zurückgekehrt. Nach ihnen erscheint das
Recht des Königs, „die Verkündigung der Gesetze ’zu
befehlen“ (Art. 43 bzw. 45, S.1) — analog dem „Aus-
fertigen“ der Urteile Art. 85 bzw. 86, S.2 — als ein
Akt der vollziehenden Gewalt, während das zum Begriff
der' gesetzgebenden Gewalt gehörige „Übereinstimmen“
von König und Kammern „zu jedem Gesetz“ nur in
teilweiser Modifikation des „Gebens“ der Gesetze nach
88 6, 7, IT 13 A.L.R. bedeutet, daß über die definitive
Gesetzesfassung in gleichmäßiger Konkurrenz der
König und die beiden Kammern hinfort entscheiden
sollen. Sofern jedoch das „Geben“ der Gesetze nach
SS 6, 7, II 13 auf die „Sanktion“ abgestellt ist, handelt
es sich auch im Zeichen des Konstitutionalismus um
eine ausschließliche Attribution des Königs. Mit der
Erteilung der „Sanktion“ ist aber im Sinne der
preußischen Verfassung der „Weg der Gesetzgebung“
als abgeschlossen zu erachten.
Bei dem notwendigen Zusammenhang, der zwischen
den $$ 6, 7, II 13 und Art. 62, S. 1 und 2 Verfassung
anzunehmen, kann den letzteren Bestimmungen selbst-
verständlich auch kein anderer Gesetzesbegriff immanent
sein als den ersteren — um so mehr als noch bei Erlaß
des Gesetzes vom 3. April 1846 der landrechtliche
Gesetzesbegriff als der für die Rechtsordnung des
preußischen Einheitsstaates maßgebende anerkannt
worden war, und auch der Gesetzrevisor (1830, Pens. XID
bemerkt hatte: