Full text: Preußisches Staatsrecht.

$ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 133 
Rechtsnormierung als das Wesentliche der Gesetzgebung 
betrachtend, an, daß auch Normen, die begrifflich keine 
Rechtsnormen seien, der Form der Gesetzgebung teil- 
haftig sein könnten. In der Tat hat auch gerade das 
moderne konstitutionelle System, indem es an sich die 
staatliche Rechtssetzung zur spezifischen gemeinsamen 
Domäne von Krone und Volksvertretung machte, durch 
positive Verfassungsanordnung gewisse Vörwaltungs- 
geschäfte dieser Domäne angegliedert und damit zu 
der wichtigen Unterscheidung von materiell-formellen 
und von bloß formellen Gesetzen Anstoß gegeben. Im 
Sinne des S. 3, Art. 62 sind nun mit den „Finanz- 
gesetzen“ nur solche gemeint, welche sich direkt mit 
dem Finanzwesen des Staates beschäftigen, „nicht aber 
auch solche Gesetze, welche nur indirekt auf die Ein- 
nahmen oder Ausgaben des Staates einen Einfluß üben 
(z. B. Gesetze über Organisation einer Behörde, über 
Anlage einer Straße usw.)“. Es fallen also darunter 
z. B. die Gesetze über Steuern und Abgaben (Art. 100) 
sowie über Anleihen für die Staatskasse und Über- 
nahme von Garantien zu Lasten des Staates (Art. 103), 
und diesen „Finanzgesetzen“ fügt S. 3, Art. 62 die 
Staatshaushaltsetats an, von welchen Art. 9 sagt: 
„Alle Einnahmen und Ausgaben des Staates müssen 
für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den 
Staatshaushaltsetat gebracht werden. Letzterer wird 
jährlich durch ein Gesetz festgestellt.“ Zweifellos 
entsprechen nun gemeinsam von Krone und Landtag 
verabschiedete Gesetze über Steuern und Abgaben 
sowie auch solche, welche bestimmte Ausgabenpflichten 
des Staates als juristischer Person mit Wirksamkeit 
nach außen festsetzen, dem in den 8. 1 und 2, Art. 62 
an sich vorausgesetzten (Gesetzesbegriff. In betreff 
des jährlich den Staatshaushaltsetat feststellenden 
„Gesetzes“ ist aber bestritten, ob es sich dabei nicht 
bloß der Form des Zustandekommens nach um ein
	        
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