Full text: Preußisches Staatsrecht.

134 $ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 
Gesetz handelt, dagegen materiell ein Akt der voll- 
ziehenden Gewalt vorliegt. Manche haben den wahren 
Gesetzcharakter des Etatsgesetzes damit motiviert, daß 
„Jedes Gesetz die Willenssphären von Personen, ent- 
weder die subjektiven Rechtssphären von Individual- 
personen oder die Kompetenzsphären von Organ- 
personen“ normiere und auch das Etatsgesetz eine 
Willensabgrenzung, Kompetenzbestimmung zwischen 
Staatsorganen enthalte (H. Preuß; Gegner Laband). 
Nach dem Wortlaut des Art. 99 repräsentiert nun das 
Etatsgesetz augenscheinlich nichts anderes als die autori- 
tative Feststellung einer „Im-Voraus-Veranschlagung“ 
aller Einnahmen und Ausgaben des Staates für ein 
Jahr und „die alljährliche öffentliche Feststellung des 
Budgets durch ein Gesetz (dient) als Richtschnur der 
Finanzverwaltung“. Rechtsansprüche Dritter können 
nicht unmittelbar auf das bloße Etatsgesetz gegründet 
werden. Andererseits bringt der unter den „allgemeinen 
Bestimmungen“ befindliche Art. 109: „Die bestehenden 
Steuern und Abgaben werden forterhoben‘“, die bestimmte 
Absicht des Verfassungsgesetzgebers zum Ausdruck, 
daß die Einsstellung der einmal kraft Rechtssatzes be- 
stehenden Steuern und Abgaben in das Etatsgesetz 
nur rechnerische Bedeutung hat, daß der eigentliche 
rechtliche Erhebungstitel für dieselben in den besonderen 
gesetzlichen Bestimmungen, nicht im Etatsgesetz zu 
suchen und die Volksvertretung nicht befugt ist, „Jähr- 
lich bei Gelegenheit der Budgetberatung die ganze 
Steuergesetzgebung in Frage zu stellen“'., Hieraus 
folgt, daß das Etatsgesetz, soweit es sich auf die ein- 
gestellten Steuern und Abgaben bezieht, nicht den 
echten Gesetzcharakter aufweist; denn ein Neues, wenn 
auch nicht dem Inhalte, so doch wenigstens der Form 
des Verbindlichmachens nach (Kodifikation von Ge- 
!) Vgl. U. Kammer, S. 381; I. Kammer, $. 2308.
	        
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