Full text: Preußisches Staatsrecht.

140 $ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 
a) Nach Art. 63 können „nur“ in dem Falle, wenn 
die Aufrechthaltung der öffentlichen Sicherheit oder 
die Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes es 
dringend erfordert, beim Nichtversammeltsein der 
Kammern vom König unter Verantwortlichkeit des ge- 
samten Staatsministeriums Verordnungen, die der Ver- 
fassungsurkunde nicht zuwiderlaufen, mit Gesetzeskraft 
erlassen werden; doch sind sie den Kammern bei ihrem 
nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vor- 
zulegen. Diese „Notverordnungen“ oder „provisorischen 
Gesetze“ wirken wegen ihrer „Gesetzeskraft“ selbst 
contra legem, d. h. zwar nicht gegen das Staatsgrund- 
gesetz, wohl aber gegen solche Rechtsnormen, welche 
den Charakter eigener juristischer Selbständigkeit 
aufweisen, ohne Unterschied, ob es sich um gesetztes 
oder ungesetztes Recht, um Rechtsnormen aus vor- 
konstitutioneller oder konstitutioneller Zeit handelt. 
Verweist die Verfassungsurkunde selbst bezüglich be- 
stimmter Materien auf die Regelung bloß „durch Ge- 
setz“ oder im „Wege der Gesetzgebung“ (Art. 27, 30, 
91), so ist eine „der Verfassung nicht zuwiderlaufende* 
Regelung durch Notverordnung „mit Gesetzeskraft“ 
nicht ausgeschlossen. Wohl aber scheidet die Not- 
verordnung aus, wenn die Verfassungsurkunde für eine 
Materie den „ordentlichen Weg der Gesetzgebung“ 
(Art. 107) oder ein „mit vorheriger Zustimmung der 
Kammern zu erlassendes Gesetz“ (Art. 9%) verlangt. 
„Die Verantwortlichkeit des gesamten Staatsministe- 
riums“ ist nicht davon abhängig, daß alle Minister die 
Notverordnung kontrasignieren; es genügt Gegenzeich- 
nung auch nur eines Ministers. Aber auch die übrigen 
Minister bleiben verantwortlich, weil die Verantwortlich- 
keit der überhaupt amtierenden Minister nicht eine 
schlechthin nur an die Form der Gegenzeichnung ge- 
bundene Auflage, sondern allgemeinen Charakters ist. 
Die nachträgliche Genehmigung der beiden Kammern
	        
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