Full text: Preußisches Staatsrecht.

144 $ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung, 
sammlung in Berlin ausgegeben worden ist. Eine all- 
gemeine gesetzliche Regelung der Publikationsart fehlt 
für ministerielle Rechtsverordnungen ; doch genügt jeden- 
falle die Bekanntmachung in den Amtsblättern. Im 
Zweifel entscheidet überhaupt das Ermessen des zur 
Rechtssetzung Delegierten auch über die Form der 
Bekanntmachung. 
Nach Art. 106, Abs. 2 steht „die Prüfung der Rechts- 
gültigkeit gehörig verkündeter königlicher Verordnungen 
nicht den Behörden, sondern nur den Kammern zu“. 
Damit ist das Prüfungsrecht der Behörden und zwar 
der richterlichen wie der Verwaltungsbehörden gegen- 
über den vom König, sei es allein („Verordnungen“), 
sei eg unter Mitwirkung der Kammern („Gesetze“), vor- 
genommenen Rechtssetzungsakten auf die Frage der 
gehörigen Verkündigung beschränkt. Die darüber hin- 
ausgehende sonstige Rechtsgültigkeit königlicher Ver- 
ordnungen zu beurteilen, ist zum ausschließlichen 
Reservat der V olksvertretung gemacht: „weil die Frage, 
ob in das Gebiet eines der Faktoren der gesetzgebenden 
Gewalt von einem anderen eingegriffen worden, zu- 
nächt nur den Faktor angeht, in dessen Atribution etwa 
eingegriffen sein könnte“ (I. K., S. 2374). In Preußen 
sind daher für die Behörden und Untertanen ohne 
weiteres alle königlichen Erlasse verbindlich, welche 
mit der erforderlichen ministeriellen Kontrasignatur in 
der Gesetzsammlung bekanntgemacht worden, und der 
Gehorsamszwang dauert so lange, bis ein anderes an 
der nämlichen Stelle bekanntgemacht ist. Da das 
Hohenzollernkönigtum die Verfügung über das Institut 
der Gesetzsammlung hat, ist es nach Einschaltung des 
Art. 106, Abs. 2 in die Verfassung tatsächlich selbst 
in der Lage, einseitig Normen aufzustellen, welche 
tatsächlich zunächst wie Rechtsnormen zu wirken 
geeignet sind, obwohl ihnen die wahre Übereinstimmung 
mit dem preußischen „Staatsgrundgesetz“ fehlt. Nur
	        
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