Full text: Preußisches Staatsrecht.

$ 9. Das konstitutionelle Königtum. 195 
(Art. 50, S. 1) hat nach Art. 49 der König „das Recht 
der Begnadigung und Strafmilderung“. Diese Vor- 
schrift bezieht sich bloß auf die Fälle, in welchen „die 
öffentliche Klage bereits erschöpft ist“ (I. K., S. 1220), 
ein rechtskräftiges Strafurteil bereits vorliegt, und der 
König erhält dadurch die Befugnis, die erkannte Strafe 
ganz oder zum Teil zu erlassen oder sie in eine ge- 
lindere umzuwandeln. „Zugunsten eines wegen seiner 
Amtshandlungen verurteilten Ministers kann dieses 
Recht (jedoch) nur auf Antrag derjenigen Kammer 
ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen 
ist“ (Art. 49, 8. 2). Zur Begnadigung im weiteren Sinne 
gehört jedoch auch die Abolition, „vermöge deren der 
König die Einleitung der Untersuchung verbieten und 
selbst eingeleitete Untersuchungen niederschlagen kann“ 
(I. K., S. 1219. Mit Bezug auf die Abolition bestimmt 
Art. 49, S. 3: „Der König kann bereits eingeleitete 
Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Ge- 
setzes niederschlagen.“ Leitend hierfür war die Er- 
wägung, daß der Begriff der konstitutionellen Monarchie 
es nicht erlaube, wenn der König {,in das Gebiet der 
gesetzgebenden und der richterlichen Gewalt allzusehr 
eingreife“. Es bedarf daher der König selbst einer 
spezialgesetzlichen Ermächtigung als Grundlage seines 
Niederschlagungsausspruchs;, doch ist hierbei der Weg 
der Notverordnung durch das Erfordernis des „be- 
sonderen Gesetzes“ nicht ausgeschlossen. „Bereits 
eingeleitete Untersuchungen“ sind solche, deren Ein- 
leitung bereits durch förmlichen Gerichtsbeschluß aus- 
gesprochen ist, d. h. wo die Voruntersuchung eröffnet 
ist, oder wo beim Verfahren ohne Voruntersuchung die 
Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen ist. Das 
Schweigen der Verfassung über die Abolition bezüglich 
solcher Straffälle, in welchen eine bereits eingeleitete 
Untersuchung noch nicht vorliegt, hat dagegen die in 
dieser Hinsicht nach .vorkonstitutionellem Recht ($ 9, 
13 *
	        
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