206 $ 9. Das konstitutionelle Königtum.
Rechtsetzungsakt einen Regierungsstellvertreter nach
Belieben zu bestellen, wenn er sich „nicht dauernd“
am „Selbstregieren“ behindert glauben sollte. Durch
eine wiederholte Praxis ist auch bereits das Institut
der Regierungsstellvertretung für die konstitutionelle
Periode Preußens außer Zweifel gesetzt. Als Rechts-
setzungsakt muß die Bestellung des Regierungsstell-
vertreters unter ministerieller Kontrasignatur in der
Gesetzsammlung bekanntgemacht werden. Die Aus-
wahl ist nicht auf einen bestimmten Personenkreis be-
schränkt, insbesondere braucht es nicht ein Agnat des
königlichen Hauses zu sein. Doch muß der Regierungs-
stellvertreter handlungsfählig und männlichen Ge-
schlechts sein. Selbst einer Mehrheit von Personen
könnte der König die Regierungsstellvertretung über-
tragen, da „das Prinzip der Einherrschaft“ dadurch
genügend gewahrt ist, daß der im Besitz der Fähigkeit,
selbst zu regieren, an sich verbleibende König jeder-
zeit den Auftrag widerrufen und selbst die Regierung
wieder übernehmen kann. Den Umfang der Befugnisse
des Regierungsstellvertreters kann der König willkür-
lich begrenzen; es hat jener auch nicht bloß die ihm
vom König erteilten Instruktionen, sondern selbst die
ihm wohlbekannten Intentionen des Herrschers bei
seinen Regierungshandlungen zu beachten, und der Form
nach muß bei den letzteren der Name des Königs sowie
das Erfordernis ministerieller Kontrasignatur gewahrt
sein. Die persönliche Unverletzlichkeit, also auch Un-
verantwortlichkeit des Staatsoberhauptes, kommt dem
Regierungsstellvertreter nicht zu; er ist nach jeder
Richtung verantwortlich. Die Erledigung der Regierungs-
stellvertretung ist ebenfalls in der Gesetzsammlung
bekanntzumachen. Einem Mißbrauch des Instituts der
Regierungsstellvertretung steht eventuell der nach der
Verfassung selbständige Weg der Einleitung einer
Regentschaft entgegen.