Full text: Preußisches Staatsrecht.

310 & 10. Die verantwortlichen Minister. 
Als rechtlicher Mittel zur Geltendmachung der ihr ge- 
schuldeten Ministerverantwortlichkeit kann sich jede 
Kammer dabei auch der Verweigerung der Entlastung 
(Art. 104) oder einer beschwerdeführenden Adresse an 
den König (Art. 81) bedienen. Namentlich gibt aber 
der Art. 61 jeder Kammer die Befugnis, die Minister 
„wegen des Verbrechens der Verfassungsverletzung, 
der Bestechung und des Verrats“ anzuklagen. Das 
zur Regelung dieser Materie in Aussicht genommene 
besondere Gesetz „über die Fälle der Verantwortlich- 
keit, über das Verfahren und über die Strafen“ ist 
allerdings noch nicht ergangen, und so ist das parla- 
mentarische Anklagerecht bis auf weiteres ein Messer 
ohne Schneide. Da das bestehende Reichsstrafrecht 
auch bereits die Materien des Hoch- und Landes- 
verrats und der Bestechung okkupiert hat (R.St.G.B. 
83 80-93, 331, 332), könnte eventuell das preußische 
Ministerverantwortlichkeitsgesetz nicht mehr mit Rück- 
sicht auf diese Delikte kriminelle Bestrafung anordnen , 
nur die Materie des „Verbrechens der Verfassungs- 
verletzung“ stände ihm in dieser Hinsicht frei!), Den 
Begriff der „Verfassungsverletzung“ suchte man alsbald 
nach der Verfassungsemanation dahin zu definieren, 
daß eine solche durch einen Minister begangen werde 
durch jede der Verfassung zuwiderlaufende Handlung 
oder Unterlassung, deren Verfassungswidrigkeit dem 
Schuldigen bekannt war oder nicht ohne sein grobes 
Versehen entgehen konnte. Indessen hat nach 
richtiger Ansicht der Verfassungsgesetzgeber das 
Strafrecht, das auf die parlamentarische Anklage nach 
Art. 61 die Minister treffen soll, von vornherein nur 
als ein disziplinelles gemeint, und so kann das preußische 
1) Zu beachten hätte dabei die preußische Gesetz- 
gebung aber den 85 E.G. z. R.St.G.B. („nur Gefängnis 
is zu 2 Jahren, Haft, Geldstrafe, Einziehung einzelner 
Gegenstände und die Entziehung öffentlicher Ämter‘).
	        
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