$ 11. Die Volksvertretung. 219
Sichtung tatsächlichen Materials behufs informatorischer
Kenntnisnahme des Plenums. 5. „Das Recht, für sich
Adressen an den König zu richten“ (Art. 81). Eine Be-
schränkung hinsichtlich des Inhalts der Adresse ist
nicht aufgestellt; selbstverständlich ist aber, daß die
Würde des Trägers der Krone geachtet werden muß.
Ein Korrelat des Adreßrechts der Kammer ist auf
seiten des Königs die Pflicht zur Entgegennahme der
Adresse, wenngleich der Empfang einer Deputation
des Hauses behufs persönlicher Überreichung der
Adresse abgelehnt werden darf. 6. Die Befugnis, „die
an sie gerichteten Schriften an die Minister zu über-
weisen und von denselben Auskunft über eingehende
Beschwerden zu verlangen“ (Art. 31).
Über den Geschäftsgang in den Kammern gibt die
Verfassung zwei Bestimmungen, zwingend auch gegen-
über der verfassungsmäßigen Befugnis jeder Kammer,
den eigenen Geschäftsgang nach eigenem Ermessen
durch eine Geschäftsordnung zu regeln: a) „Die Sitzungen
‚beider Kammern sind öffentlich“ (Art. 79). Doch ist die
Öffentlichkeit nur ein Prinzip. Jede Kammer kann auf
Antrag ihres Präsidenten oder von 10 Mitgliedern zu
geheimen Sitzungen zusammentreten (Art. 79). Bereits
das Preßgesetz vom 12. Mai 1851 erklärte auch „Be-
richte von den öffentlichen Sitzungen beider Kammern,
insofern sie wahrheitsgetreu erstattet werden, von jeder
Verantwortung frei“. Den nämlichen Sinn hat jetzt
$ 12 R.St.G.B. b) Die Beschlußfähigkeit der I. Kammer
verlangt die Anwesenheit von mindestens 60 Mit-
gliedern, die der II. Kammer die Anwesenheit der
Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder (jetzt 222).
Jede Kammer faßt ihre Beschlüsse nach absoluter
Stimmenmehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäfts-
ordnung für Wahlen etwa zu bestimmenden Ausnahmen
(Art. %). Die Beratung des Hauses ist jedoch durch das
Vorhandensein derBeschlußfähigkeitsziffer nicht bedingt.