Full text: Preußisches Staatsrecht.

94 81. Entstehung des hoh enzollernschen Gesamtstaates. 
vilegien wurde kein Gehör geschenkt, „weilen bei Ände- 
rung der Zeit auch dergleichen Verfassungen nicbt un- 
billig geändert würden“. Anfang 1721 erklärte der König; 
„Ich will Preußen tractiren als wen ich es vom feinde 
eropert hätte, da Keine Verfaßung ist, die soll Neu ge- 
machet werden.“ Vom Boden solcher Grundsätze ver- 
nichtete König Friedrich Wilhelm I. den letzten Rest 
selbständigen politischen Einflusses der partikulären 
Landstände; diese behaupteten unter ihm wesentlich 
nur ein Herrenrecht als lokale Gutsobrigkeiten. An die 
der Konservierung des ständischen Einflusses besonders 
günstigen Jura indigenatus band sich König Friedrich 
Wilhelm I. auch grundsätzlich nicht. Des Königlichen 
Hauses und des hohenzollernschen Gesammtstaats Bestes 
entschied bei ihm in erster Linie bei Besetzung der öffent- 
lichen Stellen. Es war bei ihm sogar allgemeiner 
Regierungsgrundsatz, möglichst alle höheren Stellen 
Leuten aus anderen Provinzen zu geben. Indem König 
Friedrich Wilhelm I. so den hohenzollernschen Gesamt- 
staat zu einem pays monarchique et despotique machte, 
setzte er allerdings persönlich seine ganze Manneskraft 
für die Erreichung seiner Ziele ein. Er bewährte für 
seine Person durchaus den Rat, den er seinem Suk- 
zessor in der Instruktion von 1722 erteilte: „Ein Regente, 
der mit honneur in die weldt Regiren will, mus seine 
affehren alles selber thun, also sein die Regenten zur 
Arbeit erkohren und nicht zum flascken (Leeeren) faullen 
weiberlehben“.... Der hohenzollernsche Gesamtstaat 
verdankte auch der Initiative König Friedrich Wilhelmsl. 
die Einrichtung eines Verwaltungsapparats, der in seinen 
wesentlichen Grundzügen fast ein Jahrhundert lang bis 
zur Katastrophe von 1806/07 fortdauerte. Friedrich 
Wilhelm I. beseitigte den von ihm vorgefundenen Dualis- 
mus zwischen landesherrlich gesinnten und zum Teil 
hinwiederum ständisch angehauchten Behörden einer- 
seits durch Verschmelzung der in den Provinzen be-
	        
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