8 2. Das Staatsrecht des Allgemeinen Landrechts. 48
des exercitium der Gesetzgebung, d. h. was die Formu-
lierung des Gesetzestextes anbetrifft, kennt das A.L.R.
ein votum consultativum sowohl der Gesetzkommission
wie der partikulären Landstände. In erster Linie be-
stimmt die Einleitung:
7: „Ein jeder Entwurf zu einer neuen Verordnung,
durch welche die besonderen Rechte und Pflichten der
Bürger bestimmt oder die gemeinen Rechte abgeändert,
ergänzt oder erklärt werden sollen, muß vor der Voll-
ziehung der Gesetzkommission zur Prüfung vorgelegt
werden“; $ 8: „Die Gesetzkommission muß... eine deut-
liche bestimmte Fassung des zu gebenden Gesetzes in
Vorschlag bringen“; $ 9: „Die Vorgesetzten eines jeden
Departements im Staatsrat müssen dafür haften, daß dieser
Anordnung in keinem Fall entgegengehandelt werde.“
Der $ 7 hat Anlaß zu einer Kontroverse gegeben,
welche noch in die konstitutionelle Zeit des Hohen-
zollernstaates hineinreicht. Nach Bornhak soll sich
der landrechtliche Gesetzesbegriff nur auf Normen des
Privat-, Straf- und Prozeßrechts bezogen haben, und
demgemäß bedeuten nach ihm im $ 7, die „die be-
sonderen Rechte und Pflichten der Bürger“ bestimmen-
den Verordnungen die geburtsständischen Singular-
rechte, d. h. die Sonderrechte des Adel-, Bürger- und
Bauernstandes, die „gemeinen Rechte“ aber die alle
Untertanen betreffenden Rechtsnormen des Privat-,
Straf- und Prozeßrechts. Diese Interpretation beruht
auf unzutreffenden Annahmen. Den Verfassern des
A.L.R. war im Gegensatz zu Bornhaks Hypothese
insbesondere der Begriff der Verwaltungsgesetze wohl-
bekannt.
Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien be-
richtet v. Daniels, Preuß. Privatrecht I, 1851, S. 58
über den Umfang der im A.L.R. beabsichtigten Kodifika-
tion: „Ausgeschlossen blieben sogenannte Zeitgesetze, ins-
besondere erwaltungs- und Finanzgesetze, Gesetze über
das Verfahren, sowie das Partikularrecht, welches den
Provinzialgesetzbüchern vorbehalten bleiben sollte.“
Der $ 7 bezweckt durchaus nicht eine unmittelbare
Definition des landrechtlichen Gesetzesbegriffes zu