58 8 2. Das Staatsrecht des Allgemeinen Landrechts.
Da das A.L.R. den Staat selbst als das Sub-
jekt der Staatsgewalt und den König nur als das
spezifisch zu deren Betätigung berufene Organ an-
sah, konnte es um so mehr den Einwohnern des
hohenzollernschen Gesamtstaates an sich die natur-
rechtlichen Urrechte der Individuen, Freiheit und Eigen-
tum, zubilligen. Selbst bei Sklaven, die in die könig-
lichen Lande mitgebracht waren, ließ es bereits die
Sklaverei und das persönliche Eigentum des Herrn er-
löschen, wenn dieser ein königlicher Untertan war oder
als Fremder sich in den königlichen Landen niederließ
(88 200 f. II5). Ein jeder Einwohner des Staates wurde
für berechtigt erklärt, den Schutz desselben für seine
Person und sein Vermögen zu fordern (Einl. $ 76).
Selbsthilfe sollte nur statthaft sein, wenn die Hilfe des
Staates zur Abwendung eines unwiederbringlichen
Schadens zu spät kommen würde ($$ 77,78). „Die Ent-
scheidung der vorfallenden Streitigkeiten, sowie die Be-
stimmung der zu verhängenden Strafen muß den, einem
jeden Einwohner des Staates durch die Gesetze an-
gewiesenen Gerichten überlassen werden“ ($ 79).
Andererseits war „ein jedes Mitglied des Staates das
Wohl und die Sicherheit des gemeinen Wesens nach
dem Verhältniss seines Standes und Vermögens zu
unterstützen verpflichtet“ ($ 73). Damit war für die
Tragung der Staatslasten an sich das Prinzip gerechter
Proportionalität formuliert. Doch sollten bei einem
wirklichen Widerspruch (Kollision) zwischen den Rechten
und Pflichten zur Beförderung des gemeinen Wohls
und „einzelnen Rechten und Vortheilen bestimmter Mit-
glieder des Staates“ die letzteren nachstehen und der
Staat nur zur Entschädigung des Aufopfernden gehalten
sein ($$ 74, 75). Damit war „das Nothrecht“ — nach der
deutschen Staatsrechtstheorie ius eminens — des
Staates sanktioniert, nach Suarez „das wichtigste,
aber traurigste aller Souveränetätsrechte“. Wohl fand